Einleitung
a) Lage der Strasse
Die Fritz-Bauer-Strasse in Darmstadt erstreckt sich über eine Länge von 800 m von der Kreuzung Rheinstrasse (Gewerkschaftshaus) im Norden bis zur Eschollbrücker Strasse im Süden.
Koordinaten: 49.869°N bis 49.870°N und 8.641°E bis 8.643°E.
b) Zeitpunkt der Umbenennung
Basierend auf einem Magistrats- und Stadtverordnetenbeschluss im November 2022 wurde die Hindenburgstrasse offiziell am 02. Mai 2023 in Fritz-Bauer-Strasse umbenannt.
Die Umbenennung in Fritz-Bauer-Strasse
a) Von Hindenburg zu Fritz Bauer
Im Jahre 1915 wurde die Strasse erstmals offiziell Hindenburgstrasse genannt. 108 Jahre später wurde die Strasse nach einem intensiven und teils kontroversen Prozess in Fritz-Bauer-Strasse umbenannt.
Bereits im Jahr 2000 stellte der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Darmstadts Moritz Neumann (SPD) die berechtigte Frage, warum „eigentlich die Hindenburgstrasse noch immer Hindenburgstrasse“ heiße.
In den Folgejahren gab es von bürgerschaftlichen Initiativen, dem DGB und dem Bündnis gegen Rechts Darmstadt wiederholt Veranstaltungen, Demonstrationen und Aktionen, die sich für eine Umbenennung einsetzten. Im Jahr 2005 stellte die Fraktion „Die Linke“ einen Antrag zur Umbenennung im Stadtparlament.
Der „Beirat für Strassenbenennung“ empfahl im September 2005 dem Magistrat die Umbenennung, der sich dieser Empfehlung anschloss, allerdings unter der Maßgabe, zuvor die Anwohner der Hindenburgstrasse zu befragen. Eine große Mehrheit der Anwohner lehnte eine Umbenennung damals ab.
Das bürgerschaftliche Engagement ließ jedoch nicht nach und es gab weitere Demonstrationen, Unterschriftensammlungen, Veranstaltungen und auch symbolische Umbenennungen. Am 29. Januar 2018 wurde die Strasse zum Beispiel (und auch nur für eine Nacht) von Aktivist*innen in Halit-Yozgat-Strasse (letztes Opfer der NSU-Morde) umbenannt.
2013 beschloss die Stadtverordnetenversammlung alle Strasennamen auf Verstrickungen ins nationalsozialistische System überprüfen zu lassen. Ein „Fachbeirat Strassennamen“ aus Historikern und Kulturschaffenden begleitete den Prozess.
Im Mai 2019 wurde das Ergebnis als Bericht des Büros für Erinnerungskultur vorgelegt. Nach Diskussionen und Empfehlungen des Fachbeirats beschloss Magistrat und Stadtverordnetenversammlung der Stadt Darmstadt die Umbenennung von 8 Strassen und Plätzen, darunter auch die Hindenburgstrasse. Am 02. Mai 2023 wurde die Hindenburgstrasse offiziell in Fritz-Bauer-Strasse umbenannt.
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b) Weitere Strassen und Plätze in Darmstadt
Im Rahmen desselben Prozesses wurden insgesamt acht Strassen und Plätze umbenannt oder-Neubenennungen beschlossen:
- Alarich-Weiss-Strasse in Peter-Grünberg-Strasse (Physik-Nobelpreisträger)
- Brandisstrasse in Jonathan-Heimes-Strasse („Du musst kämpfen“ Initiator)
- Grundstrasse in Mirjam-Pressler-Strasse (Kinderbuch-Autorin)
- Kleukensweg in Elizabeth-Duncan-Strasse (Tänzerin, Pädagogin)
- Kuhnweg in Ruth-Horn-Strasse (erste weibliche Nachkriegs-Stadtverordnete)
- Von-der-Au-Strasse in Milli-Bau-Strasse (Reiseschriftstellerin)
- Georgiiplatz Widmung aberkannt -> neuer Name in Abstimmung
Strassenumbenennungen in Deutschland
In Deutschland gibt es keine einheitlichen bundesweiten Regeln für die Benennung von Strassen nach Personen – aber kommunale Richtlinien, die sich meist ähneln. Viele Städte und Gemeinden orientieren sich an den folgenden Grundsätzen:
Personen müssen in der Regel verstorben sein (meist seit mindestens 2–5 Jahren). So soll eine objektive historische Bewertung möglich sein. Manche Kommunen erlauben Ausnahmen (z. B. bei außergewöhnlicher Leistung oder Ehrenbürgerschaft).
Die Person sollte eine besondere gesellschaftliche, kulturelle, wissenschaftliche oder politische Leistung erbracht haben. Häufig benannt werden Künstler*innen, Wissenschaftler*innen, Widerstandskämpfer*innen (z. B. gegen den Nationalsozialismus) und lokal bedeutende Persönlichkeiten. Die Person darf keine belastete Vergangenheit haben.
Vor dem Hintergrund der Gleichstellung bemühen sich viele Kommunen aktiv darum, mehr Frauen als Namensgeberinnen zu wählen, da Strassen bisher überwiegend nach Männern benannt sind.
Zur Person Fritz Bauer
Fritz Bauer war ein deutscher Jurist. Er wurde am 16. Juli 1903 in Stuttgart geboren. Bauer wuchs in einem liberalen, weltoffenen Umfeld auf, das ihn stark prägte. Nach dem Abitur 1921 begann er ein Jurastudium in Heidelberg, München und Tübingen. Bereits in jungen Jahren engagierte er sich politisch, unter anderem in der sozialdemokratischen Bewegung.
1925 schloss Bauer sein Studium mit der Promotion ab und begann seine juristische Karriere. 1930 wurde er als damals jüngster Amtsrichter Deutschlands am Amtsgericht in Stuttgart berufen. Doch mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurde seine Karriere jäh unterbrochen. Wegen seiner jüdischen Herkunft und seines Engagements in der SPD wurde er aus dem Justizdienst entlassen und für kurze Zeit im Konzentrationslager Heuberg interniert.
1936 emigrierte Fritz Bauer nach Dänemark, wo er im Exil politische Artikel schrieb und sich weiterhin gegen den Nationalsozialismus engagierte. Nach der Besetzung Dänemarks durch deutsche Truppen 1943 floh er nach Schweden, wo er bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs lebte.
1949 kehrte Bauer zurück nach Deutschland – ein ungewöhnlicher Schritt für einen jüdischen Emigranten in jener Zeit. Er sah es als seine Aufgabe, den deutschen Rechtsstaat neu aufzubauen und die Verbrechen des Nationalsozialismus konsequent juristisch aufzuarbeiten. Zunächst wurde er Generalstaatsanwalt in Braunschweig, später, ab 1956, in Frankfurt am Main, wo er bis zu seinem Tod tätig blieb.
Fritz Bauer erkannte früh, dass die junge Bundesrepublik große Schwierigkeiten hatte, sich ehrlich mit ihrer NS-Vergangenheit auseinanderzusetzen. Viele ehemalige Nationalsozialisten saßen weiterhin in Behörden und Gerichten. Bauer stellte sich mutig gegen diese Strukturen.
International bekannt wurde er durch seine Rolle bei der Ergreifung von Adolf Eichmann, einem der Hauptorganisatoren der Judendeportationen. Da er den deutschen Behörden nicht traute, informierte er direkt den israelischen Geheimdienst Mossad, der Eichmann 1960 in Argentinien festnahm und nach Israel brachte.
Sein wohl größter Verdienst war die Initiierung und Durchführung der Frankfurter Auschwitz-Prozesse (1963–1965). Diese waren die ersten großen Strafprozesse gegen NS-Täter in Deutschland und führten vielen Deutschen erstmals das Ausmaß der nationalsozialistischen Verbrechen vor Augen.
Bauer war nicht nur Jurist, sondern auch ein unermüdlicher Kämpfer für Menschenrechte, Demokratie und soziale Gerechtigkeit. In seinem Wirken zeigte er enorme Zivilcourage und stellte das Gewissen über blinden Gehorsam gegenüber staatlicher Macht.
Am 1. Juli 1968 wurde Fritz Bauer tot in seiner Wohnung in Frankfurt gefunden.
Sein Vermächtnis lebt weiter: Zahlreiche Schulen, Plätze und Strassen sind nach ihm benannt. Mit dem Fritz-Bauer-Institut in Frankfurt wird sein Einsatz für die Aufarbeitung der NS-Verbrechen weitergeführt. Fritz Bauer gilt heute als einer der wichtigsten Architekten des demokratischen Rechtsstaats in der Bundesrepublik Deutschland.
Zur Person Paul von Hindenburg
Paul Ludwig Hans Anton von Beneckendorff und von Hindenburg wurde am 2. Oktober 1847 in Posen geboren. Er starb am 2. August 1934 auf Gut Neudeck, Ostpreußen. Hindenburg war ein deutscher Generalfeldmarschall und Politiker. Nach einer langen militärischen Karriere im preußischen Heer trat er 1911 in den Ruhestand, wurde jedoch mit Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 reaktiviert. Gemeinsam mit General Ludendorff errang er bei der Schlacht von Tannenberg einen Sieg gegen Russland, was ihn über Nacht zum Nationalhelden machte.
1916 wurde Hindenburg zum Chef der Obersten Heeresleitung ernannt und hatte fortan großen Einfluss auf die deutsche Kriegsführung. Nach dem Ersten Weltkrieg zog er sich erneut ins Privatleben zurück, trat jedoch 1925 als Kandidat der Rechten zur Wahl des Reichspräsidenten. Er wurde am 26. April im zweiten Wahlgang im Alter von 77 Jahren als Nachfolger Friedrich Eberts (1871-1925) zum zweiten Reichspräsidenten der Weimarer Republik gewählt und am 12. Mai vereidigt.
Als Reichspräsident (1925-1934) spielte er eine entscheidende Rolle in der instabilen Weimarer Republik. 1933 ernannte er Adolf Hitler zum Reichskanzler, was den Weg zur nationalsozialistischen Diktatur ebnete. So zum Beispiel durch die Unterzeichnung der Ermächtigungsgesetze der Nationalsozialisten. Kurz nach seinem Tod vereinte Hitler die Ämter des Reichspräsidenten und Reichskanzlers in seiner Person.
Danksagung
Das „Bündnis gegen Rechts“ Darmstadt bedankt sich bei allen an der Umsetzung des Projekts „Stele“ beteiligten Personen.
Unser besonderer Dank gilt Frau Mira Laaf für die Gestaltung der Stele und der Traffeum GmbH für die Umsetzung, so wie der Mission Leben / Aumühle für den Einbau.
Sponsoren
- Asta Hochschule Darmstadt
- Attac Darmstadt
- DFG-VK
- DGB
- DiDif
- Partei Die Linke
- VNN
- Private Spenderinnen und Spender
Weitere Informationsquellen
Fritz Bauer Institut
Norbert-Wollheim-Platz 1
60323 Frankfurt am Main
„Streitsache Straßennamen“
Eine Dokumentation des Umbenennungsprozesses in Darmstadt
2013-2022
Magistrat der Wissenschaftsstadt Stadt Darmstadt