Gegen jeden Antisemitismus: Kundgebung des DGB Hirschhorn/Neckarsteinach

Der DGB Hirschhorn/Neckarsteinach hat am vergangenen Freitag (04.06.2021) zu einer eindrucksvollen Kundgebung „Gegen jeden Antisemitismus!“ aufgerufen, an der sich 60 Menschen beteiligt haben.

Auf die Schaufenster des Gewerkschaftsbüros in Hirschhorn, das sich in der früheren Synagoge befindet, wurden ein Hakenkreuz und eine SS-Rune gesprüht. Am Samstag, dem 29. Mai 2021 musste der Ortsverbandsvorstand feststellen, dass beide Schaufenster besprüht wurden. Die widerliche Tat steht offensichtlich im Zusammenhang mit einem Plakat der DGB Jugend: „Gegen jeden Antisemitismus!“, das sich im Schaufenster befindet.

Rede von DGB-Regionssekretär Horst Rauppauf der Kundgebung des DGB Hirschhorn/Neckarsteinach „Gegen jeden Antisemitismus!“ am 4. Juni 2021 auf dem Marktplatz in Hirschhorn

(es gilt das gesprochene Wort)

Nach antisemitischen Vorfällen in Mannheim hat der DGB Ortsverband Hirschhorn/Neckarsteinach im Gewerkschaftsbüro in der Hauptstraße in Hirschhorn ein großes Plakat der DGB Jugend in das Schaufenster gehängt:

Gegen jeden Antisemitismus!

Letzte Woche wurden die Schaufenster des Gewerkschaftsbüros, das sich in der früheren Hirschhorner Synagoge befindet, mit einem Hakenkreuz und einer SS-Rune besprüht. Die DGB Region Südhessen als Mieterin des Büros hat wegen Nazi-Propaganda, der Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole, Volksverhetzung und Sachbeschädigung Strafanzeige erstattet.

Auch das DGB-Büro Bad König im benachbarten Odenwaldkreis war bereits zweimal das Ziel rechtsextremer Schmierereien.

Für die Nazis war die Arbeiter*innen- und Gewerkschaftsbewegung schon immer ein Hauptangriffsziel. Die Nazis die Gewerkschaften und die Arbeiter*innenparteien verboten, die Gewerkschaftshäuser besetzt, die demokratisch gewählten Betriebs- und Personalrät*innen abgesetzt, Tarifverträge außer Kraft gesetzt, Streiks und Arbeitskämpfe verboten und hart erkämpfte politische und soziale Rechte abgeschafft. Zehntausende von Gewerkschafter*innen wurden in die Folterkeller von SA, SS und Gestapo und in die Konzentrationslager verschleppt, gefoltert und ermordet.

Die Nazi-Schmiererei in Hirschhorn steht ganz offensichtlich in direktem Zusammenhang mit dem Plakat „Gegen jeden Antisemitismus“. Die Schmieraktion richtet sich also nicht nur gegen den DGB und die Gewerkschaften, sondern gezielt gegen Jüdinnen und Juden.

Ich sage an dieser Stelle sehr klar und deutlich:

Kein vernünftiger und intelligenter Mensch, nur Hohlköpfe und braune Verbrecher wünschen sich die verbrecherische Nazi-Diktatur zurück!

Hakenkreuz und SS-Rune stehen für das größte Massenverbrechen der Menschheitsgeschichte, für einen beispiellosen Eroberungs-, Ausrottungs- und Vernichtungskrieg. Sie stehen für den industriell betriebenen Massenmord an Millionen Menschen in den Konzentrations- und Vernichtungslagern der Nazis und den Holocaust an den europäischen Jüdinnen und Juden.

Dem Vernichtungs-Antisemitismus der Nazis fielen sechs Millionen jüdische Menschen zum Opfer, denen wir heute gemeinsam gedenken.

Wir gedenken auch Louis Salomon, an den eine Tafel an der früheren Synagoge erinnert. Louis Salomon wurde als letztes Mitglied der jüdischen Gemeinde Hirschhorn 1942 in das KZ Theresienstadt deportiert und dort 1944 ermordet.

Mit der militärischen Niederlage des Nazi-Faschismus am 8. Mai 1945 ist der Antisemitismus nicht verschwunden. In der deutschen Nachkriegsgesellschaft war der Antisemitismus immer präsent – und er kommt längst wieder offen zum Ausdruck. Das zeigt sich an der hohen Zahl antisemitischer Straftaten. Jüdische Menschen werden angefeindet, beleidigt, beschimpft, bespuckt und körperlich attackiert. Synagogen, jüdische Gemeinden und jüdische Einrichtungen werden bedroht und angegriffen.

Der Anschlag auf die Synagoge in Halle im Jahr 2019 zeigt die gewachsene Gewaltbereitschaft im rechtsextremen Milieu.

In der Corona-Krise erleben antisemitische Verschwörungsmythen Hochkonjunktur. In den sogenannten „Sozialen Medien“ werden Fake News verbreitet und Angst und Hass geschürt. Nazis schwelgen im Internet in blutrünstigen Mord- und Gewaltphantasien. Sie fordern die Wiederinbetriebnahme der Konzentrationslager, der Gaskammern und der Massenverbrennungsöfen.

Bei Demonstrationen zum Nahost-Konflikt gilt es sehr klar zu unterscheiden zwischen legitimer Kritik an Entscheidungen der israelischen Regierung und Antisemitismus.

Protest gegen konkretes staatliches Handeln, etwa vor Botschaften, ist in einer demokratischen Gesellschaft selbstverständlich.

Wer aber den Nahost-Konflikt als Anlass nimmt, dem Staat Israel das Existenzrecht abzusprechen und seinen  Judenhass herauszuschreien – im Internet, auf der Straße und vor einer Synagoge, der zeigt damit vor allem eins: sein antisemitisches Weltbild.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund und seine Mitgliedsgewerkschaften stellen sich klar gegen jede Form von Antisemitismus, Rechtsextremismus, Rassismus, Sexismus, Homophobie und Transfeindlichkeit, gegen Hass und Menschenfeindlichkeit.

Für antisemitische Hassprediger und Gewalttäter darf es keine Toleranz geben.

Für Herrn Gauland von der AfD sind Hitler und die Nazis „nur ein Vogelschiss“ in der deutschen Geschichte.

Wer den von den Nazis industriell betriebenen Massenmord an Millionen Menschen, den Holocaust an den europäischen Juden und die Millionen Opfer des Nazi-Krieges als „Vogelschiss“ bezeichnet, zeigt deutlich, welches zutiefst menschenverachtende Geschichtsbild er hat.

Die Demokratie braucht eine starke und solide Brandmauer nach rechts, die breit verteidigt werden muss.

Der deutsche Faschismus begann nicht mit Auschwitz und den anderen Todesfabriken der Nazis – der deutsche Faschismus begann damit, dass anderen Menschen ihre Menschenwürde und ihr Menschsein abgesprochen wurden.

Auf Schlag-Worte und Brand-Sätze folgen oft entsprechende menschenverachtende Gewalttaten. Der Tat geht stets das Wort voraus.

Es ist die Aufgabe aller Demokratinnen und Demokraten, menschenverachtenden Sprüchen und braunen Hass- und Hetzparolen entschieden zu widersprechen, in der Schule, am Arbeitsplatz, im Verein, auf der Familienfeier – überall!

Das mag vielleicht nicht immer angenehm sein – aber es ist notwendig!

Hier ist jede/r uns aufgefordert, Zivilcourage zu zeigen und klar und eindeutig Position zu beziehen.

Demokratie ist nicht nur eine Staatsform.

Demokratie ist eine Haltung.

Und diese Haltung muss gelebt werden.

In Artikel 1 des Grundgesetzes heißt es: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“.

Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften verteidigen die Demokratie und die Menschenwürde gegen den Angriff von rechts. Wir setzen sich für eine weltoffene, demokratische, soziale und solidarische Gesellschaft, in der für menschenverachtenden Hass, für Rassismus, Antisemitismus und Nazis kein Platz mehr ist – nicht in Hirschhorn, nicht an der Bergstraße – nirgendwo!

Faschismus und Antisemitismus gehören auf den Müllhaufen der Geschichte!

In diesem Sinne:

Gegen jeden Antisemitismus!
Nie wieder Faschismus!