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Seit längere Zeit begleitet das BGR Darmstadt das BGR die Kranzniederlegung der Kameradschaft der Leibgardisten kritisch unter dem Motto: „Wir gedenken der Opfer der Verbrechen der Wehrmacht“ – Aktion gegen Kriegsverklärung am Volkstrauertag

Im März steht nach eigenen Bekunden durch zunehmende Inaktivität die Auflösung der Kameradschaft an. Dennoch kam man nicht umhin in der aktuellen Ausgabe des Leibgardisten unserer Mitstreiterin Renate anzugehen und ihre Adresse zu veröffentlichen. Renate wird sich gegen die Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte wehren. Wir stehen an Renates Seite und dokumentieren unsere gemeinsame Presseerklärung.

Presseerklärung

In der neuen Ausgabe der Zeitung „Der Leibgardist 1621, 1/2021“ werde ich persönlich angegriffen, mein vollständiger Name und meine Anschrift werden in der Zeitungveröffentlicht und damit meine Persönlichkeitsrechte in grober Weise verletzt. Hier wird auch gegen Presserecht verstoßen. Ich habe Strafantrag gestellt. Dieses Blatt wird in Militärkreisen und rechten Zirkeln gelesen, taucht in Archiven und Bibliotheken auf. Das ist für mich nicht hinnehmbar.

Nachdem wir vor einigen Jahren gesehen haben, wie die Leibgardisten am Löwendenkmal aufmarschieren – unerträgliche Bilder in Uniformen ablieferten, haben wir uns vor mehr als 4 Jahren entschlossen, die Geschichte der Leibgardisten aufzuarbeiten und haben die Ergebnisse 2019 publiziert:

„Verfälschte Erinnerung. Das Leibgardisten-Denkmal in Darmstadt“, Hrsg. von Hannes Heer, Peter Behr und Renate Dreesen.

In der Kundgebung des Bündnisses gegen Rechts am 15.11.2020 wurden die historischen Zusammenhänge dargestellt: Darmstädter Infanterie-Regimenter 226 und 485 und das 115. Darmstädter Panzer-Grenadier-Regiment als Teil der 15. Panzer-Division, die in der Tradition des „hessischen Leibregiments“ stehen, waren an diesen Verbrechen der Wehrmacht beteiligt.

Dass ich als Person dafür angegriffen werde und meine private Adresse in der Zeitung veröffentlicht wurde, ist für mich nicht hinnehmbar und wurde angezeigt.

Wir fordern weiter, dass endlich eine Tafel am Leibgardisten-Denkmal angebracht wird:

Gedenken an die Opfer der Wehrmachtsverbrechen
Seit 1947 erinnert das Denkmal von Heinrich Jobst, das 1928 eingeweiht wurde, auch an den 2. Weltkrieg und damit an die Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1945.

In Städten wie Kiew, Bjelgorod, Charkow, Stalingrad, Bialystok, Minsk, Smolensk, Wjasma oder Brjansk, deren Namen in die Schlossgrabenmauer gemeißelt sind, wurde mit unermesslich viel Blut Geschichte geschrieben. Diese Orte erinnern an den zweiten deutschen Genozid, den an den slawischen Völkern: Hitlers Angriffskrieg gegen die Sowjetunion hatte Versklavung und Ausrottung zum Ziel: 30 Millionen Menschen – Rotarmisten und Zivilisten, darunter auch 3 Millionen Juden – verloren dabei ihr Leben. Die Darmstädter Infanterie-Regimenter 226 und 485, die sich auf die Tradition des „hessischen Leibregiments“ beriefen, waren an diesen Verbrechen beteiligt. Teile des geschlagenen „Afrika-Korps“ bildeten den Grundstock der im Sommer 1943 aufgestellten deutschen Truppenverbände in Italien. Diese besetzten, nachdem Mussolini abgesetzt worden war und Italien sich der Anti-Hitler-Koalition angeschlossen hatte, das ganze Land. Mindestens 330 000 italienische Soldaten und Zivilisten wurden bis zum 8. Mai 1945 zu Opfern von Zwangsarbeit in Deutschland, von Massakern an der Bevölkerung und von Strafaktionen gegen die Partisanen in Italien. Das 115. Darmstädter Panzer-Grenadier-Regiment war als Teil der 15. Panzer-Division an diesen Verbrechen beteiligt.

Zum Hintergrund:

Der Brite Simon Winder schrieb 2010 in seinem „eigensinnigen Geschichtsbuch“ Germany, oh Germany:

„Die bizarre Entscheidung, diesem Denkmal die Namen der Schlachtfelder von 1939 bis 1945 einzumeißeln, hat es unwiderruflich ruiniert – die kollektive, fast ausschließlich militärische Katastrophe des ersten Kriegs wird hier mit den Massakern an der Zivilbevölkerung und dem Völkermord des zweiten vermengt!“ Damit ist eigentlich schon fast alles gesagt!

Und Fred Kautz schreibt in unserem Buch weiter: „Eigentlich gibt es keine deutsche Angelegenheit, die Winder umwerfen könnte, da er jeden Sommer nach Deutschland kommt, um Burgen, Schlösser und Museen zu besichtigen. Auch haben hochprozentige deutsche Schnäpse – die er von Doornkaat bis Jägermeister alle ausprobiert hat – ihm nichts anhaben können. An sich hatte der britische Deutschland-Freund vor, seinen Landsleuten ein freundliches, gedankenreiches, ja, heiteres Deutschland-Bild zu präsentieren, was ihm in der Regel auch gelungen ist. Gleichwohl war ihm die schöne Statue des brüllenden Löwen am Schlossgraben ein Dorn im Auge, weil die Väter der Nachkriegsfamilien, die als Überlebende der Wehrmacht heimgekehrt waren, sich erdreistet hatten, am gleichen Denkmal ihre Kameraden zu ehren, die als Hitlers Gefolgsleute in einem Vernichtungskrieg ihr Leben gelassen hatten. Das Darmstädter Echo (…) sah sich seinerzeit in Reaktion auf Winders Buch aufgerufen, einen ganzseitigen … Artikel über das Leibgardisten-Denkmal zu veröffentlichen. „Ehrendes Gedenken an einen Vernichtungskrieg?“ lautete die Überschrift. (DE, 30.07.2010) Und die heikle Frage, die der Lokalreporter darin stellte, lautete: „Waren Angehörige der Infanterieregimenter 115, 226 oder 485, denen das Darmstädter Denkmal gewidmet ist, unmittelbar in Kriegsverbrechen verstrickt?“ „Damit hat sich noch niemand speziell auseinandergesetzt“, erklärte der Leiter des Stadtarchivs. „Auch das Denkmal ist in moderner Zeit nicht mehr Gegenstand einer wissenschaftlich-fachlichen Untersuchung gewesen“, fugte er hinzu.

Nachdem wir vor einigen Jahren gesehen haben, wie die Leibgardisten am Löwendenkmal aufmarschieren – unerträgliche Bilder in Uniformen ablieferten, haben wir uns vor 4 Jahren entschlossen, die Geschichte der Leibgardisten aufzuarbeiten. Ende 2018 erschien unser Buch mit Beiträgen von Peter Behr, Peter Friedl, Hannes Heer, Fred Kautz und mir. Mittlerweile gibt es ein Einlegeblatt, weil neue Materialien zu den Verbrechen des Darmstädter 226. Regiments im Freiburger Militärarchiv gefunden wurden.

Wir fordern weiterhin, dass eine Tafel die Geschichte des Denkmals erklärt und die Beteiligung der Darmstädter Infanterie-Regimenter 226 und 485 am Holocaust in der Sowjetunion und am Völkermord an der sowjetischen Bevölkerung ebenso dokumentiert wird wie die Kriegsverbrechen des 115. Darmstädter Panzerregiments im besetzten Italien 1943 bis 1945.

Für das Bündnis gegen Rechts Darmstadt und Bunt ohne Braun im Landkreis Darmstadt-Dieburg
Renate Dreesen und Angelika Schröder

 

Peter, DFG-VK Darmstadt

Mindestens seit 1957 versammelten sich an dieser Stelle jeweils am Volkstrauertag die Mitglieder und Sympathisanten der „Kameradschaft der Leibgardisten“, um der „Helden“ der von Deutschland angezettelten Kriege ehrend zu gedenken.
Interessierten empfehlen wir die Lektüre der Kameradschaft „Der Leibgardist“, die seit 1957 erschien, zunächst viermal im Jahr, seit 1988 nur noch zweimal und seit 2010 nur noch einmal im Jahr.
Die Darmstädter Gruppe der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen hat sich mit der „Kameradschaft der Leibgardisten und des Infanterie-Regiments 115 e. V.“ und deren Aktivitäten beschäftigt. Auf der Homepage dfg-vk-darmstadt.de finden sich weitere Artikel.
Wir verweisen außerdem auf die von Hannes Heer, Peter Behr und Renate Dreesen herausgegebene Veröffentlichung „Verfälschte Erinnerungen – Das Leibgardisten-Denkmal in Darmstadt“ aus dem Jahr 2018.
Unter anderem wurden die Veröffentlichungen der Kameradschaft, „Der Leibgardist – Mitteilungsblatt der Kameradschaft der Leibgardisten und des Infanterie-Regiments 115 e. V.“, seit 1957 ausgewertet.
Die Beiträge betreffen persönliche Nachrichten, Todesanzeigen und Geburtstage von Mitgliedern, Spender und Spenden für die Kameradschaft, Berichte aus dem Innenleben der Kameradschaft und geschichtliche Beiträge über Schlachten. Es enthielt auch Beiträge zum Beispiel über die Deutsche Soldatenehre (Heft 2/1957), die Forderung nach mehr Schutz für das „Gefallenenehrenmal“ (Heft 3/1963), einen Gedenkartikel zu Paul von Hindenburg (2-1997), aber auch Berichte über Kontakte zu Bundeswehreinheiten und Besuche von Bundeswehreinheiten. Im Heft 1-1998 wurden „Zehn Sprachgebote für „brave“ Deutsche“ abgedruckt, die aus unserer Sicht zeigen, wo sich die Kameradschaft selbst gesellschaftspolitisch positioniert, nämlich am äußerst rechten Rand. Sie werden hier abgedruckt:

Dieser Verein genoss (oder genießt wohl bei einigen bis heute) politische Anerkennung durch die lokale Politprominenz und Vertreter der Bundeswehr.
Der ehemalige Bürgermeister der Stadt Darmstadt und Landtagsabgeordnete, Dr. Ernst Holtzmann (CDU), wurde wiederholt als Spender erwähnt und erhielt Geburtstagsgrüße. Aus Anlass seines Todes erhielt einen ehrenden Nachruf (2-1996).
Auch die obersten Vertreter der Stadt Darmstadt ließen es sich nicht nehmen, der Kameradschaft ihre Aufwartung zu machen. So Oberbürgermeister Sabais (SPD) in Heft 2/1971:

 

Oder Oberbürgermeister Peter Benz (SPD), der am 7. Juni 1996 im
Rahmen der Erinnerungsfeier „375 Jahre Leibgarde-Regiment“ einen
Empfang im Haus der Geschichte gab (1/96):

Aber auch die lokale Geschäftswelt buhlte um die einschlägige Kundschaft und in den Heften wurde darauf hingewiesen, dass die Mitglieder doch bitte sehr bei den inserierenden Geschäften einkaufen möge. Eine Auswahl:
Hut-Titze, Schubkegel-Hessenfahnen, Stempel-Schulz, Pfungstädter Brauerei, Tanzschule Stroh, Radio Feix, Beerdigungsinstitut Dechert, Tritsch und Heppenheimer.
In ihrem Mitteilungsblatt wurde vor allem hohen Militärs der NS-Zeit, die führend am Eroberungs- und Vernichtungskrieg der Nationalsozialisten beteiligt waren, ohne jede kritische Reflexion, wiederholt ehrend gedacht. Eine Auswahl:
Pabst, Ernst, Ministerialrat, Reichsrichter, Inhaber des Ritterkreuzes des Hohenzollernschen Hausordens, NSDAP, Offizier des Darmstädter Leibgarde-Regiments (1-1957)
Herff, Maximilian von, General der Waffen-SS (3-1957 und 2-1961)
Mattheß, Leopold, Major (2-1959)
Boddien, Oskar von, Oberst, (1-1960)
Bernuth, Julius von, NSDAP, Generalmajor (3-1960)
Jetschin, Hans, Oberst, SA,(4-1967)
Berndl, Heinrich, NSDAP-OB der Stadt Memmingen (1-1973)
Mordhorst, Friedrich, Oberstarbeitsführer a. D. im Reichsarbeitsdienst und Leutnant der Reserve des Leibgarde-Regiments (3-1974)
Anton, Richard, NSDAP-OB von Castrop-Rauxel (2-1977)
Wolff, Karl, Generaloberst der Waffen-SS (2/1984)

 

Nicht erwähnt wurde im Nachruf für Karl Wolff, dass er 1949 zu vier Jahren Haft und 1964 in München zu 15 Jahren Haft wegen Beihilfe zum Mord an mindestens 300.000 Juden verurteilt wurde und 1971 Haftverschonung erhielt. Nach 1945 war Wolff zeitweise in Darmstadt gemeldet.
Rommel, Erwin, Generalfeldmarschall (1-1985)
Hollidt, Karl-Adolf, Generaloberst, (2-1985)
Holtzmann, Ernst, Rechtsanwalt und Bürgermeister (2-1996)

Dyroff, Adam, Major, SA, (1-1998)
Ergänzungen zu diesen Personen sind auf unserer Homepage https://dfg-vk-darmstadt.de/Lexikon_Auflage_2/_Uebersicht_Personen_NS_Bezug.htmzu lesen.
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Möglicherweise war der eingetragene Verein auch als gemeinnützig
anerkannt.
Es scheint, dass die Zeit der Kameradschaft zu Ende geht, ist doch im
Mitteilungsblatt 1-2019 folgendes zu lesen:

Das Leibgardisten-Denkmal ist unter diesem Namen nur wenigen in Darmstadt bekannt, gehen doch viele BürgerInnen an dem Löwen mit dem Pfeil in der Brust am Friedensplatz vor dem Schloss achtlos vorbei und wissen nicht um die Bedeutung des Denkmals. Es ist unerträglich zu sehen, wie jedes Jahr hier die „Leibgardisten“ in Uniformen aufmarschieren und noch über mangelnde Traditionspflege bei der Bundeswehr klagen.
Das Denkmal war zunächst dem Gedenken an die Gefallenen des 1. Weltkrieg gewidmet, dann um die Namen der Verbrechensorte des 2. Weltkrieges ergänzt. Ein ehrendes Gedenken an einen Vernichtungskrieg darf es nicht weiter geben.

In den letzten 4 Jahren haben Hannes Heer und andere dazu geforscht und ein Buch dazu publiziert. Die Ergebnisse sind eindeutig: Die Darmstädter Infanterie-Regimenter 226 und 485 waren am Holocaust in der Sowjetunion und am Völkermord an der sowjetischen Bevölkerung beteiligt, die
Kriegsverbrechen des 115. Darmstädter Panzerregiments im besetzten Italien 1943 bis 1945 sind nachgewiesen.
Eine Tafel soll dies sehr konkret erläutern. Das wird von der Stadt bisher abgelehnt, ebenso wie die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der Forschung.
Das Verschweigen und Verleugnen der Verbrechen Nazideutschlands muss aufhören, auch in Darmstadt. Deshalb bedarf es einer Erläuterung durch eine Tafel mit den historischen Fakten:
Die Darmstädter Infanterie-Regimenter 226 und 485 waren am Holocaust in der Sowjetunion und am Völkermord an der sowjetischen Bevölkerung beteiligt, die Kriegsverbrechen des 115. Darmstädter Panzerregiments im besetzten Italien 1943 bis 1945 sind nachgewiesen.

Wir gedenken der Opfer der Verbrechen der Wehrmacht an diesem Tag!
Wann? 15. November 2020 ab 10.00 Uhr
Wo? Friedensplatz Darmstadt
Veranstalter sind: Bündnis gegen Rechts Darmstadt, Bunt ohne Braun – Bündnis gegen
Rechts im Landkreis Darmstadt-Dieburg, Friedensinitiativen, u.a.

Literatur: Die verfälschte Erinnerung: Das Leibgardisten-Denkmal in Darmstadt
Hrsg. von Hannes Heer, Peter Behr und Renate Dreesen, Darmstadt 2018

 

Hrsg. von Hannes Heer, Peter Behr und Renate Dreesen

Vorwort

(…) In Darmstadt wird die Erinnerungsarbeit seit vielen Jahren von zahlreichen Akteuren, wie der  Geschichtswerkstatt, der Initiative Gedenkort Güterbahnhof, den Gewerkschaften, der VVN, dem Bündnis gegen Rechts, der Deutschen Friedensgesellschaft- Vereinigte KiegsdienstgegnerInnen/Gruppe Darmstadt, aber auch von einzelnen engagierten Menschen
getragen und von der Stadt unterstützt: Das Denkzeichen Güterbahnhof erinnert an die Deportationen der Juden und Sinti und Roma aus dem ehemaligen Volksstaat Hessen. Der Erinnerungsort liberale Synagoge steht für die drei in Darmstadt zerstörten Synagogen. Die Synagoge in Pfungstadt ist die einzige Synagoge, die in der Region um Darmstadt erhalten geblieben ist, wo seit 2002 u.a. an ausgelöschtes jüdisches Leben erinnert wird. (…)

Ein besonders bedrückendes Beispiel für eine bisher nicht gelungene Korrektur des Verschweigens und Verleugnens der Verbrechen Nazideutschlands ist das Leibgardistendenkmal am Schlossgraben, zu dem jedes Jahr am Volkstrauertag ehemalige Militärs sich zu einem Heldengedenken versammeln. Das
Denkmal war zunächst nur den Gefallenen des 1. Weltkrieges gewidmet, wurde dann aber, ohne die deutschen Verbrechen in der Sowjetunion und in Italien zu erwähnen, um die Ortsnamen von „normalen“ Schlachten und „tragischen“ Niederlagen des 2. Weltkrieges ergänzt. Das kann nicht unkommentiert so weiter bestehen. Deshalb bedarf es einer Erläuterung durch eine Tafel mit den historischen Fakten oder eines an derselben Stelle zu errichtenden Gegen-Denkmals, das die Wahrheit des Vernichtungskrieges erzählt.

Um diese Diskussion anzustoßen, haben wir die vorliegende Publikation erarbeitet und die Akten im Militärarchiv in Freiburg zu den Infanterie-Divisionen 79 und
263 (mit ihren Regimentern 226 und 485) durchforstet sowie anhand der wissenschaftlichen Literatur die Geschichte der 15. Panzer-Grenadier-Division mit dem Regiment 115 dokumentiert. Alle genannten Einheiten waren an den Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1945 beteiligt, wie zahllose Dokumente
belegen. In Städten wie Kiew, Bjelgorod, Charkow, Stalingrad, Bialystok, Minsk, Smolensk und Wjasma, deren Namen in die Schlossgrabenmauer gemeißelt sind, wurde mit unermesslich viel Blut Geschichte geschrieben. Die Orte stehen für den zweiten deutschen Genozid an den slawischen Völkern: Hitlers
Angriffskrieg gegen die Sowjetunion hatte Versklavung und Ausrottung zum Ziel: 30 Millionen Menschen – Rotarmisten und Zivilisten, darunter auch 3 Millionen Juden – verloren ihr Leben.
Auch der Krieg, den Rommels Panzer-Truppen in Nordafrika führten, war ein Verbrechen. Die geplante Vernichtung der Juden in Palästina wurde nur durch die Kapitulation des Afrika-Korps im Mai 1943 verhindert. Und die Fortsetzung der Geschichte der 15. Panzer-Division im besetzen Italien war eine einzige „Blutspur“.

Renate Dreesen und Hannes Heer

Inhalt:

Vorwort
Peter Friedl/ Johannes Lauer: Die Geschichte des Leibgardisten-Denkmals
Renate Dreesen:  Der Bildhauer Heinrich Jobst
Peter Friedl/Johannes Lauer: Träger der Nachkriegserinnerung an  die Wehrmacht in Darmstadt:
Reservistenvereine und Traditionsverbände
Fred Kautz: Der Tanz um den bronzenen Löwen. Ein Darmstädter Kriegerdenkmal und die Kriegsschuldfrage
Peter Behr:  Sichtbar und dennoch übersehen. Spuren militärischer Präsenz in Darmstadt
Hannes Heer: Die Leibgardisten im Vernichtungskrieg 1941 bis 1945
1. Nach Moskau und zurück: Die 263. Infanteriedivision.
2. Vor dem „Opfertod“ in Stalingrad: Die Kriegsverbrechen der 79. Infanterie-Division auf dem Weg durch die Ukraine
3. Die 15. Panzer-Grenadier-Division 1941 bis 1945
4. Vom Verschweigen der Taten, vom Verschwinden der Beweise, vom Verleugnen der Schuld
Peter Schmidt: Tod in den Weltkriegen. Erinnerungen eines Vaterlosen

Dokumentenanhang – Befehle zum Völkermord und Statistiken der Täter
A. Kommissare
B. Gefangene
C. Juden
D. Zivilbevölkerung und Partisanen

Quellen zu den einzelnen Texten
Die Autoren

Im Selbstverlag herausgegeben:
© Arbeitskreis ehemalige Synagoge Pfungstadt e.V.
Kontakt:
Renate Dreesen, Adam-Schwinn-Str. 49,
64319 Pfungstadt, 06157/84470,
rdreesen [at] gmx [dot] net
Pfungstadt 2018
ISBN 978-3-00-061173-5
Spendenpreis 12€

Erfolgreiche Aktion gegen Kriegsverklärung am Volkstrauertag

Das Leibgardisten-Denkmal ist unter diesem Namen nur wenigen in Darmstadt bekannt, gehen doch viele BürgerInnen an dem Löwen mit dem Pfeil in der Brust am Friedensplatz vor dem Schloss achtlos vorbei und wissen nicht um die Bedeutung des Denkmals. In den letzten Jahren legten am Volkstrauertag Vertreter der Bundeswehr, Teilnehmer von Traditionsverbänden in Uniformen aus dem 19. Jahrhundert und aus dem 1. Weltkrieg Kränze an dem Denkmal nieder und beklagten in Reden die mangelnde Traditionspflege bei der Bundeswehr.

Im letzten Jahr gab es die ersten Proteste von Friedensgruppen und dem Bündnis gegen Rechts gegen diese Art von Traditionspflege. Das hatte anscheinend gewirkt. Dieses Jahr war die Zahl der Protestierenden deutlich höher. Über 30 Aktivisten versammelten sich frühzeitig unter einem Transparent „Wir gedenken der Opfer der Wehrmachtsverbrechen“ vor dem Denkmal und statt der Heldengedenkreden informierten RednerInnen über den Charakter des Denkmals und die Greueltaten der Wehrmacht. Verlesen wurde der Armeebefehl für die 6. Armee, mit aller Gewalt gegen die Partisanen und gegen die Zivilbevölkerung vorzugehen.

Und das übliche Gedenken der militaristischen Traditionsverbände? Anders als in den letzten Jahren ließ sich nur ein Bundeswehrvertreter in Uniform blicken, umkreiste in großer Entfernung den Protest und sagte anscheinend seinen sinnverwandten Kameraden Bescheid, so dass sich keiner blicken ließ und die übliche geschichtsverklärende Veranstaltung abgeblasen wurde. Die antimilitaristischen Aktivisten freuten sich über ihren Erfolg und versprachen, im nächsten Jahr wieder zu kommen.

Zur Geschichte des Denkmals:

1928 wurde das Denkmal enthüllt und es sollte dem „Leibgarderegiment und seinen tapferen Söhnen“ gedenken. Nach dem 2. Weltkrieg wurden Zusätze eingemeiselt, die den Angriffskrieg von Hitler-Deutschland verfälschten und verklärten und aus dem systematischen Morden an der Zivilbevölkerung und dem Raubkrieg weiterhin heldenhafte Taten machten.

So heißt die Inschrift in der Schlossgrabenmauer: „In Ehren der im Weltkrieg 1939 -1945 Gefallen der aus dem Inf(anterie) Rgt (Regiment) 115 hervorgegangenen Einheiten Inf. Rgt. 226 (und) Inf. Rgt: 485“. Die Infanterieregimenter 115 und 226 waren Teil der 6. Armee, die Russland überfiel. Die Namen der Schlachtfelder Stalingrad, Kiew, Smolensk, Minsk und weitere sind in die Mauer eingemeiselt. Wie die deutschen Wehrmachtstruppen gegen die Zivilbevölkerung vorgingen, zeigt folgender Armeebefehl des Oberbefehlshaber der 6. Armee vom 9. November 1941:

Oberst Sinz wurde in der Nacht vom 5. zum 6. 11. 41 mit 2 braven Pionieren seines Regimentsstabes nach tapferer Gegenwehr von einer Partisanenbande ermordet. Andere Partisanengruppen ermordeten 5 Männer der Organisation Todt und verübten eine Reihe weiterer Untaten.

Soldaten der 6. Armee! Ihr habt alle als Rächer anzutreten zum organisierten Kampf gegen die gewissenlosen Mordbestien! Zweierlei ist dazu nötig. Einmal müßt ihr eure Sorglosigkeit in diesem heimtückischen Lande aufgeben, und zweitens müßt ihr Mittel zur Vernichtung dieser Mörder anwenden, die weder unserer Art entsprechen, noch jemals von deutschen Soldaten gegen eine feindliche Bevölkerung angewendet worden sind.

Dazu befehle ich:

1.) Alle ergriffenen Partisanen beiderlei Geschlechts in Uniform oder Zivil sind öffentlich aufzuhängen. Jede Widersetzlichkeit bei der Vernehmung oder während des Transportes ist durch härteste Mittel zu brechen.

2.) Alle Dörfer und Gehöfte, in denen Partisanen beherbergt oder verpflegt wurden, sind durch Einziehen der Lebensmittel, Abbrennen der Häuser, Erschießen von Geiseln und Aufhängen der Mitschuldigen zur Rechenschaft zu ziehen, wenn nicht einwandfrei nachgewiesen wird, daß die Bevölkerung sich selbst gegen die Partisanen gewehrt und dabei Verluste erlitten hat.

Plakate, die der Bevölkerung diese Maßnahmen androhen, werden demnächst verteilt. Trotzdem ist schon jetzt entsprechend zu verfahren und der Bevölkerung dies bekanntzugeben. Die Furcht vor unseren Vergeltungsmaßnahmen muß bei der Bevölkerung größer sein als die vor den Partisanen.“

Die unmenschliche Sprache und die mörderischen Befehle machen heute fassungslos. Es ist höchste Zeit das Denkmal mit der verfälschenden Kriegserinnerung mindestens mit einer deutlichen Zusatztafel zu versehen, die auf den wirklichen Charakter des Krieges hinweist.

Proteste der Bündnisse gegen Rechts und Bunt ohne Braun

Das Leibgardistendenkmal steht vor dem Schloss gegenüber dem Museum. Ein mit einem Speer tödlich verwundeter Löwe soll den heldenhaften Kampf der deutschen Soldaten im 1. Weltkrieg darstellen. Es wurde von Heinrich Jobst geschaffen und im Jahr 1928 enthüllt mit der Inschrift: „Dem Leibgarde-Regiment und seinen tapferen Söhnen“ gewidmet. In großer Inschrift heißt es weiter: „Joh. 15, 13 Niemand hat größere Liebe, denn die, daß er sein Leben lasset für seine Freunde.“

1947 wurden die Inschriften der Tafeln ergänzt und das Denkmal erinnert nun auch an den 2. Weltkrieg. Die Namen der Städte Kiew, Odessa, Bialystok, Minsk, Smolensk und Stalingrad wurden in die Schlossgrabenmauer gemeißelt. Orte, die für die Verbrechen der Wehrmacht stehen ; in ihnen wurde Geschichte mit viel Blut geschrieben. „Die kollektive, fast ausschließlich militärische Katastrophe des ersten Kriegs wird hier mit den Massakern an der Zivilbevölkerung und dem Völkermord des zweiten vermengt“, schrieb der englische Autor Simon Winder in seiner 2010 erschienenen Geschichtsbetrachtung „Germany, oh Germany“.

Die in dem Denkmal erwähnten Infanterieregimenter 226 und 486 wurden nach Beginn des Angriffs auf die Sowjetunion an die Ostfront kommandiert.Die Gedenktafeln erwähnen mit keinem Wort die Verbrechen der Wehrmacht. Hitlers Angriffskrieg gegen die Sowjetunion hatte von Anfang nur Versklavung und Ausrottung zum Ziel. Hinter der Front machte die SS erbarmungslos Jagd auf Juden und Kommunisten. Zehntausende wurden ermordet. Wie die viel diskutierte Wehrmachtsausstellung in den neunziger Jahren aufdeckte, hatte auch die deutsche Wehrmacht alles andere als eine weiße Weste.

Der Name des Regiments 226 ist untrennbar mit dem monatelangen Gemetzel in Stalingrad verbunden. Als Teil der 6. Armee wurden die Soldaten 1942 ins Feuer der Straßenkämpfe geschickt. Das Ergebnis des Mordens ist bekannt. Die deutschen Truppen in Stalingrad wurden dezimiert, zurückgedrängt, schließlich eingekesselt und aufgerieben. Hunderttausende starben.

Bei der Kranzniederlegung waren außer zwei Teilnehmern in Uniformen aus dem 1. Weltkrieg einige Bundeswehrvertreter zugegen. Die Redner beklagten u. a. die mangelnde Traditionspflege bei der Bundeswehr.

Das  Bündnis Darmstadt gegen Rechts und Bunt ohne Braun im Landkreis Darmstadt-Dieburg protestierten in einer kleinen aber wirkungsvollen Aktion gegen diese Art der Traditionspflege und die militärverherrlichende Erinnerungskultur. „Wir gedenken der Opfer der Wehrmachtsverbrechen„ war auf dem mitgeführten Transparent zu lesen. Die „alten Kameraden“ fühlten sich sichtlich gestört. Bisher waren sie es gewohnt, unter sich ihrer Heldenverehrung nach zu gehen. Hitzige Diskussionen begleiteten die Aktion.

Ein Fortschritt in der Erinnerungskultur.