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Seit längere Zeit begleitet das BGR Darmstadt das BGR die Kranzniederlegung der Kameradschaft der Leibgardisten kritisch unter dem Motto: „Wir gedenken der Opfer der Verbrechen der Wehrmacht“ – Aktion gegen Kriegsverklärung am Volkstrauertag

Im März steht nach eigenen Bekunden durch zunehmende Inaktivität die Auflösung der Kameradschaft an. Dennoch kam man nicht umhin in der aktuellen Ausgabe des Leibgardisten unserer Mitstreiterin Renate anzugehen und ihre Adresse zu veröffentlichen. Renate wird sich gegen die Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte wehren. Wir stehen an Renates Seite und dokumentieren unsere gemeinsame Presseerklärung.

Presseerklärung

In der neuen Ausgabe der Zeitung „Der Leibgardist 1621, 1/2021“ werde ich persönlich angegriffen, mein vollständiger Name und meine Anschrift werden in der Zeitungveröffentlicht und damit meine Persönlichkeitsrechte in grober Weise verletzt. Hier wird auch gegen Presserecht verstoßen. Ich habe Strafantrag gestellt. Dieses Blatt wird in Militärkreisen und rechten Zirkeln gelesen, taucht in Archiven und Bibliotheken auf. Das ist für mich nicht hinnehmbar.

Nachdem wir vor einigen Jahren gesehen haben, wie die Leibgardisten am Löwendenkmal aufmarschieren – unerträgliche Bilder in Uniformen ablieferten, haben wir uns vor mehr als 4 Jahren entschlossen, die Geschichte der Leibgardisten aufzuarbeiten und haben die Ergebnisse 2019 publiziert:

„Verfälschte Erinnerung. Das Leibgardisten-Denkmal in Darmstadt“, Hrsg. von Hannes Heer, Peter Behr und Renate Dreesen.

In der Kundgebung des Bündnisses gegen Rechts am 15.11.2020 wurden die historischen Zusammenhänge dargestellt: Darmstädter Infanterie-Regimenter 226 und 485 und das 115. Darmstädter Panzer-Grenadier-Regiment als Teil der 15. Panzer-Division, die in der Tradition des „hessischen Leibregiments“ stehen, waren an diesen Verbrechen der Wehrmacht beteiligt.

Dass ich als Person dafür angegriffen werde und meine private Adresse in der Zeitung veröffentlicht wurde, ist für mich nicht hinnehmbar und wurde angezeigt.

Wir fordern weiter, dass endlich eine Tafel am Leibgardisten-Denkmal angebracht wird:

Gedenken an die Opfer der Wehrmachtsverbrechen
Seit 1947 erinnert das Denkmal von Heinrich Jobst, das 1928 eingeweiht wurde, auch an den 2. Weltkrieg und damit an die Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1945.

In Städten wie Kiew, Bjelgorod, Charkow, Stalingrad, Bialystok, Minsk, Smolensk, Wjasma oder Brjansk, deren Namen in die Schlossgrabenmauer gemeißelt sind, wurde mit unermesslich viel Blut Geschichte geschrieben. Diese Orte erinnern an den zweiten deutschen Genozid, den an den slawischen Völkern: Hitlers Angriffskrieg gegen die Sowjetunion hatte Versklavung und Ausrottung zum Ziel: 30 Millionen Menschen – Rotarmisten und Zivilisten, darunter auch 3 Millionen Juden – verloren dabei ihr Leben. Die Darmstädter Infanterie-Regimenter 226 und 485, die sich auf die Tradition des „hessischen Leibregiments“ beriefen, waren an diesen Verbrechen beteiligt. Teile des geschlagenen „Afrika-Korps“ bildeten den Grundstock der im Sommer 1943 aufgestellten deutschen Truppenverbände in Italien. Diese besetzten, nachdem Mussolini abgesetzt worden war und Italien sich der Anti-Hitler-Koalition angeschlossen hatte, das ganze Land. Mindestens 330 000 italienische Soldaten und Zivilisten wurden bis zum 8. Mai 1945 zu Opfern von Zwangsarbeit in Deutschland, von Massakern an der Bevölkerung und von Strafaktionen gegen die Partisanen in Italien. Das 115. Darmstädter Panzer-Grenadier-Regiment war als Teil der 15. Panzer-Division an diesen Verbrechen beteiligt.

Zum Hintergrund:

Der Brite Simon Winder schrieb 2010 in seinem „eigensinnigen Geschichtsbuch“ Germany, oh Germany:

„Die bizarre Entscheidung, diesem Denkmal die Namen der Schlachtfelder von 1939 bis 1945 einzumeißeln, hat es unwiderruflich ruiniert – die kollektive, fast ausschließlich militärische Katastrophe des ersten Kriegs wird hier mit den Massakern an der Zivilbevölkerung und dem Völkermord des zweiten vermengt!“ Damit ist eigentlich schon fast alles gesagt!

Und Fred Kautz schreibt in unserem Buch weiter: „Eigentlich gibt es keine deutsche Angelegenheit, die Winder umwerfen könnte, da er jeden Sommer nach Deutschland kommt, um Burgen, Schlösser und Museen zu besichtigen. Auch haben hochprozentige deutsche Schnäpse – die er von Doornkaat bis Jägermeister alle ausprobiert hat – ihm nichts anhaben können. An sich hatte der britische Deutschland-Freund vor, seinen Landsleuten ein freundliches, gedankenreiches, ja, heiteres Deutschland-Bild zu präsentieren, was ihm in der Regel auch gelungen ist. Gleichwohl war ihm die schöne Statue des brüllenden Löwen am Schlossgraben ein Dorn im Auge, weil die Väter der Nachkriegsfamilien, die als Überlebende der Wehrmacht heimgekehrt waren, sich erdreistet hatten, am gleichen Denkmal ihre Kameraden zu ehren, die als Hitlers Gefolgsleute in einem Vernichtungskrieg ihr Leben gelassen hatten. Das Darmstädter Echo (…) sah sich seinerzeit in Reaktion auf Winders Buch aufgerufen, einen ganzseitigen … Artikel über das Leibgardisten-Denkmal zu veröffentlichen. „Ehrendes Gedenken an einen Vernichtungskrieg?“ lautete die Überschrift. (DE, 30.07.2010) Und die heikle Frage, die der Lokalreporter darin stellte, lautete: „Waren Angehörige der Infanterieregimenter 115, 226 oder 485, denen das Darmstädter Denkmal gewidmet ist, unmittelbar in Kriegsverbrechen verstrickt?“ „Damit hat sich noch niemand speziell auseinandergesetzt“, erklärte der Leiter des Stadtarchivs. „Auch das Denkmal ist in moderner Zeit nicht mehr Gegenstand einer wissenschaftlich-fachlichen Untersuchung gewesen“, fugte er hinzu.

Nachdem wir vor einigen Jahren gesehen haben, wie die Leibgardisten am Löwendenkmal aufmarschieren – unerträgliche Bilder in Uniformen ablieferten, haben wir uns vor 4 Jahren entschlossen, die Geschichte der Leibgardisten aufzuarbeiten. Ende 2018 erschien unser Buch mit Beiträgen von Peter Behr, Peter Friedl, Hannes Heer, Fred Kautz und mir. Mittlerweile gibt es ein Einlegeblatt, weil neue Materialien zu den Verbrechen des Darmstädter 226. Regiments im Freiburger Militärarchiv gefunden wurden.

Wir fordern weiterhin, dass eine Tafel die Geschichte des Denkmals erklärt und die Beteiligung der Darmstädter Infanterie-Regimenter 226 und 485 am Holocaust in der Sowjetunion und am Völkermord an der sowjetischen Bevölkerung ebenso dokumentiert wird wie die Kriegsverbrechen des 115. Darmstädter Panzerregiments im besetzten Italien 1943 bis 1945.

Für das Bündnis gegen Rechts Darmstadt und Bunt ohne Braun im Landkreis Darmstadt-Dieburg
Renate Dreesen und Angelika Schröder

 

Peter, DFG-VK Darmstadt

Mindestens seit 1957 versammelten sich an dieser Stelle jeweils am Volkstrauertag die Mitglieder und Sympathisanten der „Kameradschaft der Leibgardisten“, um der „Helden“ der von Deutschland angezettelten Kriege ehrend zu gedenken.
Interessierten empfehlen wir die Lektüre der Kameradschaft „Der Leibgardist“, die seit 1957 erschien, zunächst viermal im Jahr, seit 1988 nur noch zweimal und seit 2010 nur noch einmal im Jahr.
Die Darmstädter Gruppe der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen hat sich mit der „Kameradschaft der Leibgardisten und des Infanterie-Regiments 115 e. V.“ und deren Aktivitäten beschäftigt. Auf der Homepage dfg-vk-darmstadt.de finden sich weitere Artikel.
Wir verweisen außerdem auf die von Hannes Heer, Peter Behr und Renate Dreesen herausgegebene Veröffentlichung „Verfälschte Erinnerungen – Das Leibgardisten-Denkmal in Darmstadt“ aus dem Jahr 2018.
Unter anderem wurden die Veröffentlichungen der Kameradschaft, „Der Leibgardist – Mitteilungsblatt der Kameradschaft der Leibgardisten und des Infanterie-Regiments 115 e. V.“, seit 1957 ausgewertet.
Die Beiträge betreffen persönliche Nachrichten, Todesanzeigen und Geburtstage von Mitgliedern, Spender und Spenden für die Kameradschaft, Berichte aus dem Innenleben der Kameradschaft und geschichtliche Beiträge über Schlachten. Es enthielt auch Beiträge zum Beispiel über die Deutsche Soldatenehre (Heft 2/1957), die Forderung nach mehr Schutz für das „Gefallenenehrenmal“ (Heft 3/1963), einen Gedenkartikel zu Paul von Hindenburg (2-1997), aber auch Berichte über Kontakte zu Bundeswehreinheiten und Besuche von Bundeswehreinheiten. Im Heft 1-1998 wurden „Zehn Sprachgebote für „brave“ Deutsche“ abgedruckt, die aus unserer Sicht zeigen, wo sich die Kameradschaft selbst gesellschaftspolitisch positioniert, nämlich am äußerst rechten Rand. Sie werden hier abgedruckt:

Dieser Verein genoss (oder genießt wohl bei einigen bis heute) politische Anerkennung durch die lokale Politprominenz und Vertreter der Bundeswehr.
Der ehemalige Bürgermeister der Stadt Darmstadt und Landtagsabgeordnete, Dr. Ernst Holtzmann (CDU), wurde wiederholt als Spender erwähnt und erhielt Geburtstagsgrüße. Aus Anlass seines Todes erhielt einen ehrenden Nachruf (2-1996).
Auch die obersten Vertreter der Stadt Darmstadt ließen es sich nicht nehmen, der Kameradschaft ihre Aufwartung zu machen. So Oberbürgermeister Sabais (SPD) in Heft 2/1971:

 

Oder Oberbürgermeister Peter Benz (SPD), der am 7. Juni 1996 im
Rahmen der Erinnerungsfeier „375 Jahre Leibgarde-Regiment“ einen
Empfang im Haus der Geschichte gab (1/96):

Aber auch die lokale Geschäftswelt buhlte um die einschlägige Kundschaft und in den Heften wurde darauf hingewiesen, dass die Mitglieder doch bitte sehr bei den inserierenden Geschäften einkaufen möge. Eine Auswahl:
Hut-Titze, Schubkegel-Hessenfahnen, Stempel-Schulz, Pfungstädter Brauerei, Tanzschule Stroh, Radio Feix, Beerdigungsinstitut Dechert, Tritsch und Heppenheimer.
In ihrem Mitteilungsblatt wurde vor allem hohen Militärs der NS-Zeit, die führend am Eroberungs- und Vernichtungskrieg der Nationalsozialisten beteiligt waren, ohne jede kritische Reflexion, wiederholt ehrend gedacht. Eine Auswahl:
Pabst, Ernst, Ministerialrat, Reichsrichter, Inhaber des Ritterkreuzes des Hohenzollernschen Hausordens, NSDAP, Offizier des Darmstädter Leibgarde-Regiments (1-1957)
Herff, Maximilian von, General der Waffen-SS (3-1957 und 2-1961)
Mattheß, Leopold, Major (2-1959)
Boddien, Oskar von, Oberst, (1-1960)
Bernuth, Julius von, NSDAP, Generalmajor (3-1960)
Jetschin, Hans, Oberst, SA,(4-1967)
Berndl, Heinrich, NSDAP-OB der Stadt Memmingen (1-1973)
Mordhorst, Friedrich, Oberstarbeitsführer a. D. im Reichsarbeitsdienst und Leutnant der Reserve des Leibgarde-Regiments (3-1974)
Anton, Richard, NSDAP-OB von Castrop-Rauxel (2-1977)
Wolff, Karl, Generaloberst der Waffen-SS (2/1984)

 

Nicht erwähnt wurde im Nachruf für Karl Wolff, dass er 1949 zu vier Jahren Haft und 1964 in München zu 15 Jahren Haft wegen Beihilfe zum Mord an mindestens 300.000 Juden verurteilt wurde und 1971 Haftverschonung erhielt. Nach 1945 war Wolff zeitweise in Darmstadt gemeldet.
Rommel, Erwin, Generalfeldmarschall (1-1985)
Hollidt, Karl-Adolf, Generaloberst, (2-1985)
Holtzmann, Ernst, Rechtsanwalt und Bürgermeister (2-1996)

Dyroff, Adam, Major, SA, (1-1998)
Ergänzungen zu diesen Personen sind auf unserer Homepage https://dfg-vk-darmstadt.de/Lexikon_Auflage_2/_Uebersicht_Personen_NS_Bezug.htmzu lesen.
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Möglicherweise war der eingetragene Verein auch als gemeinnützig
anerkannt.
Es scheint, dass die Zeit der Kameradschaft zu Ende geht, ist doch im
Mitteilungsblatt 1-2019 folgendes zu lesen:

Das Leibgardisten-Denkmal ist unter diesem Namen nur wenigen in Darmstadt bekannt, gehen doch viele BürgerInnen an dem Löwen mit dem Pfeil in der Brust am Friedensplatz vor dem Schloss achtlos vorbei und wissen nicht um die Bedeutung des Denkmals. Es ist unerträglich zu sehen, wie jedes Jahr hier die „Leibgardisten“ in Uniformen aufmarschieren und noch über mangelnde Traditionspflege bei der Bundeswehr klagen.
Das Denkmal war zunächst dem Gedenken an die Gefallenen des 1. Weltkrieg gewidmet, dann um die Namen der Verbrechensorte des 2. Weltkrieges ergänzt. Ein ehrendes Gedenken an einen Vernichtungskrieg darf es nicht weiter geben.

In den letzten 4 Jahren haben Hannes Heer und andere dazu geforscht und ein Buch dazu publiziert. Die Ergebnisse sind eindeutig: Die Darmstädter Infanterie-Regimenter 226 und 485 waren am Holocaust in der Sowjetunion und am Völkermord an der sowjetischen Bevölkerung beteiligt, die
Kriegsverbrechen des 115. Darmstädter Panzerregiments im besetzten Italien 1943 bis 1945 sind nachgewiesen.
Eine Tafel soll dies sehr konkret erläutern. Das wird von der Stadt bisher abgelehnt, ebenso wie die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der Forschung.
Das Verschweigen und Verleugnen der Verbrechen Nazideutschlands muss aufhören, auch in Darmstadt. Deshalb bedarf es einer Erläuterung durch eine Tafel mit den historischen Fakten:
Die Darmstädter Infanterie-Regimenter 226 und 485 waren am Holocaust in der Sowjetunion und am Völkermord an der sowjetischen Bevölkerung beteiligt, die Kriegsverbrechen des 115. Darmstädter Panzerregiments im besetzten Italien 1943 bis 1945 sind nachgewiesen.

Wir gedenken der Opfer der Verbrechen der Wehrmacht an diesem Tag!
Wann? 15. November 2020 ab 10.00 Uhr
Wo? Friedensplatz Darmstadt
Veranstalter sind: Bündnis gegen Rechts Darmstadt, Bunt ohne Braun – Bündnis gegen
Rechts im Landkreis Darmstadt-Dieburg, Friedensinitiativen, u.a.

Literatur: Die verfälschte Erinnerung: Das Leibgardisten-Denkmal in Darmstadt
Hrsg. von Hannes Heer, Peter Behr und Renate Dreesen, Darmstadt 2018