Die Hindenburgstraße ist Geschichte

Nach 108 Jahren wird nun endlich Hindenburg als Straßenbezeichnung aus dem Darmstädter Stadtbild verschwinden.

Während nach 1945 viele nach Nazi-Größen benannte Straßen und Plätze umbenannt wurden, behielt die Hindenburgstraße ihren Namen, obwohl bereits am 30. April 1945 die Umbenennung nach dem Gewerkschafter und Sozialdemokraten Carl Legien vorgeschlagen worden war.

Bereits im Jahr 2000 stellte der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Darmstadts Moritz Neumann (SPD) die berechtigte Frage, warum „eigentlich die Hindenburgstraße noch immer Hindenburgstraße“ heiße.

Doch die politischen Parteien in Darmstadt sahen offenbar keine Notwendigkeit, Konsequenzen zu ziehen.

In den Folgejahren gab es von bürgerschaftlichen Initiativen, dem DGB und dem Bündnis gegen Rechts Darmstadt wiederholt Veranstaltungen, Demonstrationen und Aktionen, die sich für eine Umbenennung einsetzten. Im Jahr 2005 stellte die Fraktion „Die Linke“ einen Antrag zur Umbenennung im Stadtparlament.

Der „Beirat für Straßenbenennung“ empfahl im September 2005 dem Magistrat die Umbenennung, der sich dieser Empfehlung anschloss, allerdings unter der Maßgabe, zuvor die Anwohner der Hindenburgstraße zu befragen. Der zuständige Stadtrat Feuchtinger (Grüne) hätte wissen können, dass Anwohner gewohnheitsmäßig gegen Umbenennungen sind. Oder hat er gar unter dem Motto „Bürgerbeteiligung“ ein ablehnendes Ergebnis erhofft? Und so kam es! Eine über 90%ige Mehrheit der Anwohner lehnte eine Umbenennung ab.

Doch das bürgerschaftliche Engagement spornte das erst recht an. Es gab weitere Demonstrationen, Unterschriftensammlungen, Veranstaltungen und auch symbolische Umbenennungen. Sogar die Grünen Darmstadts begrüßten im Frühjahr 2013, der Straße einen neuen Namen zu geben. Im August forderte der Fraktionsvorsitzende der SPD, Hanno Benz, eine Umbenennung, wobei „bei der Suche nach einem neuen Straßenamen … das Bündnis gegen Rechts … eingebunden werden“ solle. Der Antrag wurde abgelehnt!

Der CDU-Stadtverordnete und Historiker Ludwig Achenbach tat sich hervor, in dem er dann auch die Umbenennung der Karl-Marx-Straße in Eberstadt ins Gespräch brachte. Auch Oberbürgermeister Partsch sprach sich gegen eine Umbenennung aus. Beschlossen wurde aber die Überprüfung aller möglicherweise „belasteten“ Straßenamen.

Im Mai 2019 wurde das Ergebnis als Bericht des Büros für Erinnerungskultur vorgelegt. Nach Diskussionen und Empfehlungen im sogenannten Fachbeirat beschloss Magistrat und Stadtverordnetenversammlung die Umbenennung von 8 Straßen (Hans von der Au, Gustav Brandis, Walter Georgii, Peter Grund, Christian Heinrich Kleukens, Richard Kuhn, Alarich Weiss, Paul von Hindenburg). (Aber weitere Straßen, die nach Ex(?)-Nazis benannt sind, harren weiterhin der Umbenennung!)

Dies begrüßen wir sehr! Aber wir wollten nicht vergessen lassen, dass es von 1945 bis 2023, also 83 Jahre gedauert hat, bis eine Umbenennung erfolgte. Dass die vielen Initiativen von den demokratischen Parteien nicht umgesetzt wurde.

Die SPD-Fraktion hatte am 14. November 2022 einen Vorschlag des „Bündnis gegen Rechts Darmstadt“ aufgegriffen und beantragt „in Abstimmung unter anderem mit dem „Bündnis gegen Rechts“, das sich seit längerem aktiv für eine Umbenennung der Hindenburgstraße einsetzt, eine Info-Tafel zu konzipieren und im Kreuzungsbereich der zukünftigen Fritz-Bauer-Straße / Rheinstraße aufzustellen.“

Wie mit Anträgen demokratischer Oppositionsparteien in der Regel umgegangen wird, geschah auch hier. Er wurde abgelehnt. Daher haben wir uns am 14. März diesen Jahren mit einem Schreiben an den Oberbürgermeister gewandt und dieses Vorhaben erneut vorgebracht. Zuvor hatten wir die Agentur Meister (Nachf. Laaf), die die Brandnachtstele zwischen Schloß und Weißem Turm realisiert hatte, gebeten, ein Modell für eine Gedenkstele zu entwerfen. Dieses Modell fügten wir bei. Nachdem keine Reaktion erfolgte, haben wir am 14. März daran erinnert und erhielten am 12. April die Nachricht, die Anfrage würde noch geprüft und um ein wenig Geduld gebeten.

Um der Benennung der Straße nach Fritz Bauer eine zusätzliche würdige Note zu geben, schlugen wir dem Oberbürgermeister am 28. April des Jahres vor, den ehemaligen Staatsanwalt Wiese, der die Anklage mit zwei weiteren Staatsanwälten im Frankfurter Auschwitz-Prozess vertreten hatte, einzuladen. Mit Herrn Wiese hatten wir gesprochen und seine Zusage erhalten.

Die von der Stadt viel gepriesene Bürgerbeteiligung erhält durch dieses Vorgehen des Oberbürgermeister mehr als einen Kratzer!

Der Magistrat der Stadt Darmstadt hat den Umbenennungsprozess in einem Buch beschrieben: „Streitsache Straßennamen“ (siehe folgende Bilder).