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Alles spricht dafür, doch die Stadtregierung traut sich nicht.

Die Hindenburgstraße ist in Darmstadt eine viel befahrene und bedeutende Verkehrsachse und damit jedem Darmstädter bekannt. Mit der Forderung nach Umbenennung geht es dem Bündnis gegen Rechts Darmstadt darum, aufzuhören mit einem unkritischen Geschichtsbewusstsein und einer Auszeichnung – denn nichts anderes bedeutet die Benennung einer großen Straße nach deren Namen – von Personen, die eine fatale Rolle in der deutschen Geschichte gespielt haben. In der letzten Bauausschusssitzung vom 9.5.2018 wurde ein Antrag der Linken nur von der SPD unterstützt, zu dem Straßenschild der Hindenburgstraße ein Zusatzschild aufstellen zu lassen mit dem Inhalt „Kriegsherr, Reichspräsident und Wegbereiter Hitlers“. VertreterInnen von anderen Parteien stimmten dagegen und fürchteten eine „negative Außenwirkung“.

In der nächsten Stadtverordnetenversammlung am 17.5.2018 wird dieser Antrag nochmals eingebracht mit der Ergänzung, einen unabhängigen Fachbeirat einzurichten, der die Namen und NamensgeberInnen der Straßen und Plätze Darmstadts neu betrachtet und bewertet. Die Umbenennung der Hindenburgstraße zusammen mit der Überprüfung der NamensgeberInnen ist längst überfällig. Bereits 2014 ergab eine Anfrage der Linken, dass in Darmstadt noch ca. 180 Straßen und Plätze nach Personen benannt sind, die als „ehemalige hochrangige nationalsozialistische Kriegsverbrecher oder andere Unterstützer totalitärer Systeme“ in Frage kommen.

Das Bündnis gegen Rechts Darmstadt fordert bereits seit Langem eine Umbenennung der Hindenburgstraße. Schon 2005 hatte sich eine Straßenbenennungskommission einstimmig für die Umbenennung der Hindenburgstraße ausgesprochen. Dann hatte aber die Stadtregierung Angst vor ihrer eigenen Courage. Statt die Straße umzubenennen, wurden die Anwohner und die dort ansässigen Unternehmen befragt, ob sie der Umbenennung zustimmen. Wie nicht anders zu erwarten, sprachen sich die etwas über 100 Befragten gegen die Umbenennung der Straße aus. Für dieses Vorgehen wurde die Stadt stark kritisiert, denn die Umbenennung einer Straße betrifft eine ganze Stadt und nicht nur einen Bruchteil der dortigen Anwohner. „Mit dem Argument, die Beibehaltung des Namens sei praktischer, weil niemand seinen Briefkopf ändern muss, macht man es sich zu einfach“, kritisierte Eckart Conze, Professor für Neueste Geschichte an der Universität Marburg dieses Vorgehen.

Noch Anfang 2013 befürworteten die Grünen eine Umbenennung: „Die Geschichte rechtfertigt eine Umbenennung der Straße“, so ihre Fraktionssprecherin Hildegard Förster-Heldmann. Nun mehrheitlich an der Regierung änderten die Grünen ihre Haltung.

Darmstadt nennt sich eine Wissenschaftsstadt und neuerdings auch Digitalstadt. Diese hochfahrenden Begriffe passen nicht zu dem Umgang der Stadt Darmstadt mit ihrer eigenen Geschichte. Seit 1945 hat es keine der Mehrheitsparteien im Darmstädter Stadtparlament geschafft, die Änderung der Namensgebung von Straßen wie der Hindenburgstraße ernsthaft anzugehen und verzichteten damit auf eine nachhaltige Aufarbeitung von Nationalsozialismus und Militarismus. Die Revolte der „68er“, die nun genau 50 Jahre her ist, richtete sich auch gegen die damals immer noch gegenwärtigen Seilschaften der alten Nationalsozialisten und den unkritischen Umgang mit der deutschen Geschichte. Einer „Wissenschaftsstadt“ stünde es gut an, sich intensiv und kritisch mit ihrer eigenen Geschichte, das heißt auch mit der Namensgebung ihrer Straßen und öffentlichen Plätze, auseinanderzusetzen. Die Furcht vor einer „negativen Auswirkung“ von vorzunehmenden Straßennamensänderungen passt eher in die Zeit von vor 1968.