AfD-nahe Gruppierungen erklärten als Ziel, „bei den Betriebsratswahlen 2018 mit zahlreichen alternativen Listen anzutreten und so die Macht der linken Gewerkschaften zu brechen“ (Zentrum Automobil auf ihrer Internetseite). Zusammen mit der rechtsnationale Zeitschrift Compact organisierte das „Zentrum Automobil“ im November 2017 in Leipzig eine Bündnisveranstaltung, um für die Beteiligung an den Betriebsratswahlen zu werben und die Gründung eigener „alternativer“ Listen zu unterstützen. Nach den Wahlerfolgen der AfD sollte diese rechte Sammlungsbewegung ein „Aufbruch in den Betrieben“ einläuten. Bundesweit kandidierten nach eigenen Angaben über 500 Kandidaten auf den „alternativen“ Listen .

Die publicityträchtge Strategie erzeugte das gewünschte Echo in den Medien. In einigen linken Veröffentlichungen wurde aufgeregt über das Auftreten der rechten Listen berichtet.

Südhessen und Opel

Nachfragen beim DGB und ver.di Südhessen haben ergeben, das bis auf Opel Rüsselsheim eine Kandidatur von rechtspopulistischen Listen nicht bekannt ist. Auch bei Opel konnten die Rechtspopulisten nicht landen. Dort kandidierte die Liste der AUM, dessen Kandidat Horst Schmitt der auf einer Veranstaltung des «Zentrum Automobil» aufgetreten war. Sie erreichte zwei Sitze. Die Christliche Gewerkschaft Metall (CGM) sowie die Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger (AUB) verloren jeweils einen Sitz und stellen nun jeweils zwei Vertreter. Die IG Metall hat mit 87,3 % und 37 Sitzen ihr bestes Wahlergebnis seit 1945 erreicht und die Zahl ihrer Sitze um 2 erhöht. Die Beschäftigten haben damit den Einsatz der IG-Metall und des (alten) Betriebsrats in der Auseinandersetzung um die Zukunft von Opel honoriert.

„Leuchtturm“ Untertürkheim – nicht ganz so groß

Das beste Ergebnis bei den aktuellen Betriebsratswahlen erreichte die Liste „Zentrum Automobil“ im Mercedes-Werk Untertürkheim mit 13,2%. Auf dieses Werk konzentrierte sich auch die mediale Berichterstattung. Kandidat der Liste „Zentrum Automobil“ war Oliver Hilburger, früher Gitarrist der Rechts-Rockband „Noie Werte“. Die Liste war bereits seit den Wahlen 2012 mit 4 Sitzen im Betriebsrat vertreten und konnte nun 2 hinzugewinnen. Wahrscheinlich hatte sich diese Liste mehr Zulauf versprochen. Im Vorfeld der Wahlen hatte sie damit geprahlt, mit insgesamt 187 Kandidaten zur Wahl anzutreten. Doch Gewinner der Wahl in Untertürkheim ist die IG-Metall-Liste. Sie hat nun 37 Sitze im 47-köpfigen Betriebsrat, und erhält im neuen Betriebsrat 3 zusätzliche Sitze (75,7 Prozent). Die rechts stehende UAG hat einen von zwei und die linke Opposition der „Offensiven Metaller“ zwei von drei Sitzen verloren.

Der Betriebsrat im Werk Untertürkheim hatte bereits im Februar 2018 in einer Erklärung gegen rechtsradikales und neonazistisches Gedankengut eindeutig Stellung bezogen und die Haltung derer kritisiert, die keine klare Position gegen Rechtsextremismus und Neonazismus einnehmen. Der Betriebsrat verwahrte sich dagegen, dass das Werk Untertürkheim in den Medien mittlerweile als Sammelbecken für Neonazis und rechte Umtriebe dargestellt werde.

Wenig Strahlkraft des „Leuchtturms“

Nach den bis jetzt vorliegenden Ergebnissen haben die rechtspopulistischen Listen bundesweit insgesamt 21 Mandate erreicht. Die Rechtspopulistischen konzentrierten sich in den Betriebsratswahlen 2018 auf die Automobilindustrie und dort vor Allem auf Mercedes. Die Ergebnisse der Liste Zentrum waren in den anderen Werken des Mercedes-Konzerns eher mäßig bis schlecht: im Werk Rastatt knapp 9 % und 3 Sitze, in Sindelfingen 3,4% und 2 Sitze, In Wörth/Germersheim und in der Zentrale in Stuttgart erreichte sie keinen Sitz.

Das zweitbeste Ergebnis erreichte eine rechte Liste im BMW-Standort Leipzig mit elf Prozent und erhielt 4 von 35 Sitzen. Der dortige Spitzenkandidat Frank Neufert ist Zwickauer AfD-Kreistagsabgeordneter und betrieb schon monatelang vorher einen intensiven Wahlkampf. Doch auch in diesem Werk wurde die IG-Metall mit Abstand stärkste Fraktion. In den Werken Porsche Leipzig und Opel Rüsselsheim erreichten die rechten Listen jeweils nur 2 Mandate. Beim Motorsägenhersteller Stihl erreichte eine rechtspopulistische Liste knapp 9% und zwei Sitze, die IGM-Kandidaten erhielten 22 von den 25 Sitzen.

Das sind die bisher bekannten Ergebnisse. Auf ihrer Internetseite verbreiten die rechten Listen auch Fakenews. So behaupten sie, bei Siemens in Görlitz zwei Sitze bei der Betriebsratswahl erhalten zu haben. Dies Information ging unhinterfragt durch die deutschen Medien. In Wahrheit gingen alle Sitze an die IG Metall.

Für das gute Abschneiden der IG Metall bei den diesjährigen Betriebsratswahlen hat sicher die aktuelle Tarifrunde beigetragen. Mit starken Streikaktionen hat die Gewerkschaft eine kräftige Lohnerhöhung und die „kurze Vollzeit“ durchsetzt. Der Anspruch auf eine 28 Stunden-Woche mit Rückkehrrecht ist zwar nur der Einstieg in neue Arbeitszeitmodelle, doch anscheinend hat die IG Metall die Interessen ihrer Mitglieder nach mehr Arbeitszeitautonomie in der richtigen Form aufgegriffen.

Wie arbeiten die Rechtspopulisten im Betrieb?

André Kaufmann, der bis vor Kurzem Betriebsbetreuer der IGM Stuttgart für Daimler Untertürkheim war, gibt einen guten Einblick in die Arbeitsweise der dortigen Liste „Zentrum Automobil: “ „… Zu erwarten, dass die so richtig stramm rechts auftreten mit entsprechend harten Sprüchen, ist falsch, das machen sie nicht. Sie treten zum einen als Kümmerer für die kleinen Sorgen und Nöte der Beschäftigten auf. Sie haben ein sehr gutes Gespür für Themen, bei denen die IGM oder der Betriebsrat manchmal ein bisschen zu langsam ist oder einfach zu viel zu tun hat. Sie nehmen auch gern die einfachen Fälle entgegen, die komplizierteren werden dann gerne wieder zur IGM zurückgeschickt. Gerne gehen sie auch mal durch die Halle, schütteln hier ein paar Hände, gratulieren da mal zum Geburtstag, machen dort mal ein Witzchen… Auch da haben sie ein gutes Gespür, wo vielleicht der eine oder andere IGM-BR nicht so oft in der Halle oder im Büro bei den Beschäftigten war, wie es hätte sein müssen, weil man einen Tick zu oft in irgendwelchen Meetings mit der Geschäftsführung gesessen hat. Genau da gehen sie hin, um sich zu zeigen. Auf der anderen Seite versuchen sie, Betriebsversammlungen zu nutzen, um mit Dreck auf die IG Metall zu werfen: Die ist dann per se korrupt, gekauft, liegt mit dem Management im Bett. Deswegen brauche es jetzt eine neue Kraft“.

Kaufmann weist auch auf versteckte Sympathien von Teilen der unteren und mittleren Führungsebene für die Rechtspopulisten hin: „Ein Beispiel: Kollege Müller kommt zur IGM und möchte eine höhere Eingruppierung. Der Betriebsrat versucht das durchzusetzen, wird vom Abteilungsleiter oder wem auch immer abgeblockt, dann geht der Kollege zum Zentrum, die sprechen wiederum mit dem Abteilungsleiter, der mit dem Zentrum sympathisiert, und der sagt: Na ja, eigentlich nicht, aber ich akzeptiere das jetzt mal als politische Investition in die Diskreditierung der IG Metall. Das Zentrum kann dann damit durch die Halle rennen und sagen: Guckt, wir haben‘s hingekriegt. Ich will das nicht dem ganzen Management unterstellen, aber in Teilen der mittleren Führungsebene gibt es schon versteckte Sympathien.“ (express 1-2 2018)

Alles gut?

Das Ergebnis fällt insgesamt für die rechten Listen sehr mager aus – besonders wenn man die Zahl mit 78.000 Betriebsratssitzen in über 11.000 Betrieben im Organisationsbereich der IG Metall vergleicht. Aber wie eine IG Metall-Funktionär bemerkt: „Jedes Mandat für die Rechten ist eines zu viel. Mit jedem Mandat gewinnen sie weiter Einfluss und verankern ihr rechtes Gedankengut“. Es muss weiter beobachtet werden, ob sich die Strukturen der Rechtspopulisten verfestigen. Die DGB-Gewerkschaften müssen das Auftreten der Rechtspopulisten auch als Mahnung sehen, nicht allein auf ihre Verhandlungsmacht und ihr Verhandlungsgeschick mit den Arbeitgebern zu setzen, sondern im Betrieb vor Ort präsent zu sein und im ständigen Gespräch mit den Beschäftigten deren Interessen zu vertreten.

Ehrung für Halit Yozgat

In der Online-Ausgabe des Darmstädter Echos war es am 30.1. der meist gelesene Artikel: „Protest gegen Darmstädter Hindenburgstraße: Drei Senioren überkleben Straßenschild“. Berichtet wird, wie die Polizei am vorherigen Abend drei Personen angetroffen hatte, die die Straßenschilder der Hindenburgstraße mit Folien überklebten, auf denen der Name des NSU-Opfers Halit Yozgat zu lesen war. Halit Yozgat wurde am 6.April 2006 in einem Kasseler Internetcafe vom sog. „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) ermordet.

Dem Polizeieinsatz vorausgegangen war der Anruf eines pflichtbewussten Bürgers. Er meldete, wie Rentner mit einer Leiter durch die Stadt laufen und Straßenschilder überkleben. Auch die Polizei legte in ihrer Pressemitteilung großen Wert darauf, dass es Senioren waren, die die Überklebung vornahmen. Doch scheinen diese besonders gefährlich ausgesehen zu haben. Es wurde nämlich Verstärkung geholt, und schließlich waren vier Polizeiautos mit neun Polizist_innen am „Tatort“. Die Straßenecke der Noch-Hindenburgstraße/Rheinsträße wurde lange Zeit mit den blitzenden Blaulichtern der Polizeiautos erhellt. Es sah aus wie bei einem Schwerverbrechereinsatz.

„Historische Gründe“ erfordern eine Umbenennung

Mit der Aktion sollte der Forderung nach einer Umbenennung der Straße Nachdruck verliehen werden. Paul von Hindenburg, nach dem die Straße benannt ist, hat nämlich am 30. Januar 1933 als Reichspräsident Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt und damit den Weg frei gemacht für die faschistische Diktatur. Dass ein Steigbügelhalter der Nazis nicht mit einem Straßennamen geehrt werden sollte, ist die Meinung vieler Menschen und Organisationen in Darmstadt. Das Bündnis „Darmstadt gegen Rechts“ veranstaltete hierzu schon mehrere Aktionen. Auch im Stadtparlament war die Umbenennung schon Thema. SPD, Linkspartei und UFFBASSE stimmten für die Umbenennung. Es ist zu hoffen, dass die hohe Aufmerksamkeit, welche die Aktion im Darmstädter Echo erfahren hat, dazu genutzt werden kann, die Diskussion um eine Umbenennung neu zu beleben.Der Sprecher der Stadt Darmstadt erklärte im Darmstädter Echo, aus „heutiger Sicht“ sei Hindenburg einer der Wegbereiter der NS-Diktatur gewesen. Heute würde man ihn zwar nicht mehr mit einer Straße ehren, „die Straße bleibt aber aus historischen Gründen so benannt“. Welch eine Verwirrung! Wären es nicht gerade „historische Gründe“, die eine Umbenennung erfordern.

Keine Strafverfolgung !

Das Bündnis „Darmstadt gegen Rechts“ bezeichnet die von der Polizei angedrohten Anzeigen wegen Sachbeschädigung und Amtsanmaßung als völlig überzogen. Das Bündnis fordert von der Stadt, auf eine Strafverfolgung zu verzichten. Hierfür werden auch Unterschriften gesammelt verbunden mit der Forderung nach Umbenennung der Straße.

Material:

Paul von Hindenburg: Referat von Hannes Heer auf der Podiumsdiskussion vom 6. Mai 2014

 

Proteste der Bündnisse gegen Rechts und Bunt ohne Braun

Das Leibgardistendenkmal steht vor dem Schloss gegenüber dem Museum. Ein mit einem Speer tödlich verwundeter Löwe soll den heldenhaften Kampf der deutschen Soldaten im 1. Weltkrieg darstellen. Es wurde von Heinrich Jobst geschaffen und im Jahr 1928 enthüllt mit der Inschrift: „Dem Leibgarde-Regiment und seinen tapferen Söhnen“ gewidmet. In großer Inschrift heißt es weiter: „Joh. 15, 13 Niemand hat größere Liebe, denn die, daß er sein Leben lasset für seine Freunde.“

1947 wurden die Inschriften der Tafeln ergänzt und das Denkmal erinnert nun auch an den 2. Weltkrieg. Die Namen der Städte Kiew, Odessa, Bialystok, Minsk, Smolensk und Stalingrad wurden in die Schlossgrabenmauer gemeißelt. Orte, die für die Verbrechen der Wehrmacht stehen ; in ihnen wurde Geschichte mit viel Blut geschrieben. „Die kollektive, fast ausschließlich militärische Katastrophe des ersten Kriegs wird hier mit den Massakern an der Zivilbevölkerung und dem Völkermord des zweiten vermengt“, schrieb der englische Autor Simon Winder in seiner 2010 erschienenen Geschichtsbetrachtung „Germany, oh Germany“.

Die in dem Denkmal erwähnten Infanterieregimenter 226 und 486 wurden nach Beginn des Angriffs auf die Sowjetunion an die Ostfront kommandiert.Die Gedenktafeln erwähnen mit keinem Wort die Verbrechen der Wehrmacht. Hitlers Angriffskrieg gegen die Sowjetunion hatte von Anfang nur Versklavung und Ausrottung zum Ziel. Hinter der Front machte die SS erbarmungslos Jagd auf Juden und Kommunisten. Zehntausende wurden ermordet. Wie die viel diskutierte Wehrmachtsausstellung in den neunziger Jahren aufdeckte, hatte auch die deutsche Wehrmacht alles andere als eine weiße Weste.

Der Name des Regiments 226 ist untrennbar mit dem monatelangen Gemetzel in Stalingrad verbunden. Als Teil der 6. Armee wurden die Soldaten 1942 ins Feuer der Straßenkämpfe geschickt. Das Ergebnis des Mordens ist bekannt. Die deutschen Truppen in Stalingrad wurden dezimiert, zurückgedrängt, schließlich eingekesselt und aufgerieben. Hunderttausende starben.

Bei der Kranzniederlegung waren außer zwei Teilnehmern in Uniformen aus dem 1. Weltkrieg einige Bundeswehrvertreter zugegen. Die Redner beklagten u. a. die mangelnde Traditionspflege bei der Bundeswehr.

Das  Bündnis Darmstadt gegen Rechts und Bunt ohne Braun im Landkreis Darmstadt-Dieburg protestierten in einer kleinen aber wirkungsvollen Aktion gegen diese Art der Traditionspflege und die militärverherrlichende Erinnerungskultur. „Wir gedenken der Opfer der Wehrmachtsverbrechen„ war auf dem mitgeführten Transparent zu lesen. Die „alten Kameraden“ fühlten sich sichtlich gestört. Bisher waren sie es gewohnt, unter sich ihrer Heldenverehrung nach zu gehen. Hitzige Diskussionen begleiteten die Aktion.

Ein Fortschritt in der Erinnerungskultur.

Übernahme von AfD-Themen führte zum Absturz bei den Wahlen

Die Wahlergebnisse der CDU zur Bundestagswahl in Sachsen waren verheerend. Einstmals mit Abstand stärkste Partei in Sachsen – der westdeutsche Import Kurt Biedenkopf fuhr hier Ergebnisse mit über 50 % ein – verlor die CDU bei der Bundestagswahl fast 16 % und wurde mit 26,9 %hinter der AfD nur zweitstärkste Partei. In der 40.000 Einwohnerstadt Freiberg wurde die AfD 30,1 % der Zweitstimmen klar stärkste Partei, vor der CDU mit nur 23,3 %.

Der Freiberger Stadtverband der CDU nahm seine eigene Wahlauswertung vor und sorgte mit seinen „Freiberger Thesen“ für bundesweites Aufsehen. Die „Thesen“ wurden an die Landes- und Bundesgremien der Partei verschickt, die überörtliche Presse berichtete ausführlich darüber. Holger Reuter, der Vorsitzende der Freiberger CDU und Baubürgermeister der Stadt sieht als Kernforderung des Papiers „die Wiederherstellung der innerparteilichen Demokratie.“ Laut Reuter müssen „die Mitglieder endlich wieder ernst genommen werden“ und „es muss wieder möglich sein, den innerparteilichen Diskurs ohne Denkverbote und Bevormundung von oben führen zu können.“

„Diskurs ohne Denkverbote“

Soso. Was beinhaltet nun der Diskurs ohne Denkverbote? In den Freiberger Thesen wird u. a. gefordert:

  • Rücktritt von Angela Merkel als Parteivorsitzende und Rücktritt von Generalsekretär Peter Tauber.
  • Sofortiger Aufnahmestopp von Flüchtlingen und sofortige Abschiebung aller Ausreisepflichtigen und kriminellen Asylbewerber.
  • Keine Verschärfung des Umweltrechtes, welche wirtschaftliche Entwicklungen gefährdet oder behindert, deshalb realistische Diskussion um den Verbrennungsmotor und Braunkohle als Brückentechnologie.

Mit diesem Programm soll die CDU in Sachsen wieder zu einer „Volkspartei“ werden. Der CDU-Vorsitzende Reuter äußerte gegenüber dem MDR zur Perspektive der Regierungsarbeit der CDU: „Wenn sich die AfD stabilisiert und zu einer Politik kommt, die dem Bürger auch wirklich Wege zeigt, wie es besser werden kann, dann halte ich persönlich auch eine Koalition mit der AfD für möglich“.

Noch hat die Spitze der sächsischen CDU ihre ablehnende Haltung gegenüber einer Koalition mit der AfD bekräftigt und eine Zusammenarbeit mit ihr definitiv ausgeschlossen.

Die Kandidatin Veronika Bellmann:

Veronika Bellmann ist seit 2002 als direkt gewählte Abgeordnete Mitglied des Deutschen Bundestages für den Wahlkreis Mittelsachsen (früherer Wahlkreis Freiberg/Mittleres Erzgebirge). 2013 wurde sie mit mit 51,9 % der Stimmen in den Bundestag gewählt, 2014 sackte sie ab auf 32,4 % und gewann den Wahlkreis lediglich mit 1.400 Stimmen Vorsprung vor dem AfD-Kandidaten. Welche politischen Positionen vertritt sie?

Sie ist Mitglied des konservativen Berliner Kreis in der CDU. Zu den Zielen dieses Kreises gehört, dass „die wertkonservativen und marktliberalen Wurzeln der Unionsparteien im politischen Alltag erkennbar sind und in konkrete Politik umgesetzt werden.“ Gegenüber dem Handelsblatt sprach Bellmann bereits Anfang 2015 von einer „fortschreitenden Islamisierung“ Deutschlands, die sei schon „infolge der demographischen Situation, der Geburtenfreudigkeit auf der einen und des Geburtendefizits auf der anderen Seite gegeben “. In der Flüchtlingspolitik warf sie Angela Merkel 2015 einen „ordnungspolitischen Offenbarungseid“ vor. Im September 2016 griff sie den „Freiberger Thesen“ vor und forderte, eine Koalition der CDU mit der AfD nicht grundsätzlich auszuschließen.

Sie stimmte im Bundestag gegen die Milliardenhilfen für Griechenland und schlägt eine Insolvenz der von ihr so genannten kreditunwürdigen Staaten vor. Nachdem Anfang Juni 2017 Donald Trump den Austritt der USA aus dem Pariser Klimaschutzvertrag angekündigt hatte, forderte der Berliner Kreis schon einige Tage später eine „Kehrtwende“ in der deutschen Klimapolitik. Seit Juli 2016 gehört Bellmann dem Untersuchungsausschuss zum VW-Abgasskandal an – interessant ist in diesem Zusammenhang die aktuelle Forderung der Freiberger Thesen nach einer „realistische Diskussion um den Verbrennungsmotor“.

Mit diesen „konservativen“ Positionen brach sie bei den Bundestagswahl 2017 ein. Unbeirrt erklärte Bellmann nach der Veröffentlichung der Freiberger Thesen: “Die Freiberger Thesen drücken aus, was die Mehrheit der Mitglieder der Partei denkt und fühlt.“

Die Moral aus der Geschicht‘?- Übernahme der AfD-Themen lohnt sich nicht!

Veronika Bellmann, wie große Teile der CDU in Sachsen, haben die von der AfD gesetzten Themen übernommen und „bearbeitet“, zentral natürlich die „Flüchtlingsfrage“. Dabei lebten Ende 2015 in Sachsen

knapp 160.000 Ausländer, sie machten nur 3,9 Prozent der 4 Millionen Einwohner in Sachsen aus (darunter im Jahr 2015 2.421 ausländische Ärzte, das sind 12,1 Prozent aller Ärzte; »einige Kliniken könnten den Betrieb mancher Station ohne die internationalen Ärzte nicht aufrechterhalten, weil sie in Deutschland keine Mediziner finden«- so das Ärzteblatt Sachsen). Im Bundesdurchschnitt beträgt der Ausländerhantel dagegen 10,5 Prozent.

Überfremdung, drohende Islamisierung, Verlust der sächsischen Identität? Da ging Frau Bellmann mit einem populistischen Lächeln der AfD wohl gerne auf den Leim. Schüren der Vorurteile gegenüber „den Griechen“, Skepsis gegenüber dem Klimawandel, Einsatz für die Zukunft des Verbrennungsmotors und den Braunkohleabbau – diese ursprünglichen Themen der AfD vertritt diese Partei besser und „glaubwürdiger“.

Also, Anpassung an die AfD und ihre Positionen, ist nicht nur eine schlimme Politik, es verstärkt insgesamt einen reaktionären Trend und verschiebt den gesellschaftlichen Diskurs nach rechts bzw. rechtsaußen. Die AfD kann sich über diese Themensetzung freuen und die „besorgten Bürger“ wählen nicht die CDU, sondern das Original, die AfD.

Reichsbürger-Vorwurf gegenüber Merck-Erben

Ende September hatte der DGB Darmstadt und das Bündnis gegen Rechts zu einer Informationsveranstaltung mit Andrea Röpke eingeladen, eine der beiden Autorinnen des Filmes „Das braune Netzwerk“ über die Aktivitäten von Markus Stangenberg-Haverkamp in der rechtsradikalen Szene. Der Film wurde Anfang dieses Jahres vom WDR ausgestrahlt. Markus Stangenberg-Haverkamp ist Mitglied der Gesellschafterversammlung der Merck-Konzernobergesellschaft, die sich aus 130 Mitgliedern der Merck-Familie zusammen setzt. Sein Vater, Markus Stangenberg-Haverkamp, ist Vorsitzender des Gesellschafterrats und überwacht die Geschäftsführung der  Merck KG und der Merck KGaA. Sein Sohn, Markus Stangenberg-Haverkamp ist ein aktiver Holocaust-Leugner und erklärte bei einer Vernehmung durch die Polizei, „meine Staatsbürgerschaft ist nicht deutsch sondern Deutsches Reich“.

Der Film sorgte bundesweit für Aufmerksamkeit, in Darmstadt besonders in den sozialen Netzwerken und der „alternativen“ Öffentlichkeit. Dem Darmstädter Echo waren diese Enthüllungen über Mitglieder der Merck-Familie keine Notiz im Kommunalteil wert, es berichtete über die bundesweite Resonanz auf diesen Dokumentarfilm lediglich auf einer Magazinseite. Auch über die Veranstaltung mit der Filmemacherin schwieg sich das Darmstädter Echo aus – ein Fall von Selbstzensur bzw. fehlender Courage?

Schwierige Recherchen

Dabei wurden auf dieser Veranstaltung interessante Details über die Recherchen und die Schwierigkeiten, den Film überhaupt zu senden, berichtet. Die beiden Filmemacherinnen recherchierten über ein Jahr lang, bis sie belegen konnten, dass hinter den Veröffentlichungen von „Stangenberg“ – ein durchaus häufiger Name in Deutschland – sich eben dieser Markus Stangenberg aus der Merck-Familie verbarg. Fotos wurden abgeglichen, der „Stangenberg“ auf rechtsradikalen Treffen mit dem Markus Stangenberg auf der Merck-Gesellschafterversammlung. Vor der Ausstrahlung des Filmes sichteten und bewerteten Rechtsanwälte das Material, auch das WDR wollte 100-prozentige Gewissheit haben über die Richtigkeit des Filmberichtes. Die Macht des Milliarden-Konzernes samt seiner starken Rechtsabteilung wirkt auf Medienmacher und auch die großen Rundfunkanstalten einschüchternd und es gehört ein starkes Rückgrat und eine ebenso starke Überzeugung dazu, kritische Themen zu recherchieren und dann öffentlich zu machen.

Dass die Recherchen des Filmes zutreffend sind, zeigt die Reaktion von Merck. Es gab keine Unterlassungsklage oder irgendeine Richtigstellung seitens Merck, nur die dürftige Erklärung seines Vaters Frank Stangenberg-Haverkamp gegenüber dem WDR, die Gesinnung seines Sohnes sei weder bekannt noch von einer Relevanz für das Unternehmen:

Andrea Röpke informierte über die rechten Netzwerke, auf die sie bei der Recherche zu dem Film gestoßen ist. Z. B. die „Identitäre Bewegung“ ist hochgradig vernetzt in der Scene. Sie hält sich aus der sichtbaren Tagespolitik heraus, ist aber als der wichtigste Stichwortgeber in der rechten Szene anzusehen. Mit theoretischen Aufsätzen und Treffen schaffen sie das ideologische Rüstzeug und die Netzwerke, die insgesamt die rechtsradikale Bewegung voranbringen sollen. Auch das Spendenaufkommen für die Aktiven und Aktivitäten in der rechtsradikalen Szene ist durchaus hoch.

Zum Schluss gab es noch Nachdenkliches von der Filmemacherin zu hören. Sie freue sich eine solche Veranstaltung in Darmstadt durchführen zu können, denn in einigen Städten im Osten seien solche Info-Veranstaltungen nur noch schwer möglich, da hier regelmäßig Rechte auftauchen und durch lautes Pöbeln die Veranstaltungen stören. Inzwischen werde bei solchen Veranstaltungen schon Eintrittsgelder erhoben (in Volkshochschulen bis 8 €), um die Pöbler draußen zu halten. Unter dem frischen Eindruck des Ergebnisses der Bundestagswahlen äußerte sie die Befürchtung, dass durch den Wahlerfolg der AfD die Rechten in ihrem öffentlichen Auftreten noch ungehemmter ihre Positionen vertreten und die AfD durch ihre finanziellen Zuwendungen, noch intensiver die rechten Netzwerke unterstützt.

Unsinn, Blödsinn, Zeitdiebstahl

Darf man/frau so einen Artikel schreiben? Diese Frage drängt sich nach Sichtung der Anträge auf. Wird Unsinn und Blödsinn nicht aufgewertet, wenn man/frau darüber noch berichtet? Nun, auch die Darmstädter Öffentlichkeit sollte das Recht haben zu erfahren was ein AfD-Mitglied im Darmstädter Stadtparlament so treibt und wie nun die Alternative für Darmstadt so aussehen soll.

Olaf Sigmund war 2016 auf der AfD-Liste ins Darmstädter Stadtparlament gewählt worden, trat zwischenzeitlich aus der AfD-Stadtverordnetenfraktion aus, ist aber immer noch AfD-Mitglied. Folgende 8 Anträge stammen von ihm und könnten auf der Stadtverordnetenversammlung am 07.09.2017 aufgerufen werden.

1. Rauchverbot an Bus- und Straßenbahnhaltestellen – Begründung: Gefahren von Passivrauchen, hohe Kosten der Beseitigung von Kippen – im gleichen Antrag will er prüfen lassen, ob ein Alkoholverbot an öffentlichen Haltestellen machbar ist – Begründung: Schlägereien alkoholisierter Personen an Haltestellen, Verletzungsgefahr durch zerborstene Glasflaschen, er bangt um den guten Ruf Darmstadts, es erwecke einen negativen Eindruck auf Geschäftsleute und Urlaubsgäste.

2. Beschluss im Fall Asia Bibi und Christenfeindlichkeit in Darmstadt – Asia Bibi ist eine (angeblich?) in Pakistan inhaftierte Christin, die zum Tode verurteilt ist – hier möchte Sigmund eine Resolution der Stadt und die Stadt solle sich an die Pakistanische Regierung wenden, mit der Aufforderung zur Freilassung.
Weiter sieht er in dem Antrag ein Zeichen gegen die (von ihm festgestellte) Christen- und Deutschenfeindlichkeit und Antisemitismus auf Schulhöfen. Er nennt hier explizit Eberstadt-Süd und Kranichstein, hier insbesondere die arabisch stämmigen Jugendlichen. Es soll damit ein Zeichen gegen Christenfeindlichkeit in der „zentralen Flüchtlingsunterkunft“ in Darmstadt gesetzt werden.

3. Antrag auf getrennte Unterkunft der christlichen Flüchtlinge von den Flüchtlingen anderer Religion in Darmstadt – Begründung: ähnlich wie oben.

4. Antrag auf Verleihung der Bronzenen Verdienstplakette der Stadt Darmstadt für Erika Steinbach, Mitglied des Bundestages, Ex-Präsidentin des Bundes der Vertriebenen – Begründung: Sie habe sich als Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, für die nach dem 2. Weltkrieg vertriebenen Menschen aus den ehemaligen Ostgebieten besonders politisch und wirtschaftlich ausgezeichnet und damit auch um Darmstadt verdient gemacht.

5. Änderung der Redezeit, § 29 der Geschäftsordnung der Stadtverordnetenversammlung Darmstadt – er beantragt hier die Verlängerung der Redezeit bei der antragstellenden Fraktion/Person von bisher 6 auf 10 Minuten und die Einfügung der Wörter „fraktionslose Stadtverordnete“.

6. Antrag auf Aufhebung der Russlandsanktionen – er stellt den Resolutionsantrag, Darmstadt solle die Bundesregierung auffordern die Russland – Sanktionen umgehend aufzuheben.

7. Antrag umzäunte Freilaufwiese für Hunde an der Lichtwiese – Begründung: Konflikte mit Hundehaltern und Hunden, Gefahr für und von der Lichtwiesenstraßenbahn.

8. Antrag für eine Pim Fortyn Gedenktafel in Darmstadt – Begründung (Zitate aus dem Original): „Im Mai 2002 würde der homosexuelle Islam- und EU-Kritiker Pim Fortyn von dem „Grünen“ Volkert van der Graaf erschossen…. bekannt wurde der bekennende niederländische Homosexuelle dadurch, dass er eine islam-kritische Partei 2002 zur zweitstärksten Partei in Holland führte. Pim Fortyn war… Dozent für marxistische Soziologie… Viele Gegner der Islamisierung in Deutschland und den Niederlanden sehen in linken Politikern und Kritikern eine direkte Mitschuld an diesem Mord – Wehret den Anfängen!“,
„Eine Gedenktafel für Pim… würde gleichzeitig für die Einführung der Versammlungs- und Redefreiheit in Darmstadt stehen“.

Martina Hübscher-Paul von den Linken hat sich die Mühe gemacht und die Anträge alle gelesen und zusammengestellt. Wer es nicht glaubt und diesen Artikel für eine Satire hält, kann die Anträge im Original nachlesen.

https://darmstadt.more-rubin1.de/sitzungen_top.php?sid=ni_2017-Stavo-121 Parlamentsinformationssystem der Stadt DA (Darmstadt Home –> Rathaus –> Politik –> Kalender –> 13. Juni 2017) .

Erst im Darmstädter Echo hochgeschrieben, dann abgestürzt

„Wenn es der AfD gelingt, mit einem populistischen Bewerber die Stimmen aller Unzufriedenen und Gefrusteten (auch aus der CDU) einzusammeln, könnte Siebel angesichts der politischen Großwetterlage für seine Partei sogar den zweiten Wahlgang verpassen“, schrieb das Darmstädter Echo am 11.6.2016.

Zahlreiche Aktivitäten gegen die AfD

Nun hat zwar Siebel die Stichwahl verpasst, aber der AfD-Kandidat Hans Mohrmann landete weit abgeschlagen auf dem 7. Platz. Der Wind hat sich in Darmstadt gedreht gegen die AfD.

Zur Erinnerung: bei den Kommunalwahlen im März letzten Jahres zog die AfD mit 9,2% als viertstärkste Partei in das Stadtparlament ein. Dort versuchte sie ihr Thema „Flüchtlinge“ hoch zu ziehen und machte mobil gegen die damals noch im Bau befindliche Flüchtlingsunterkunft am Sensfelder Weg. Die übrigen Parteien im Stadtparlament hatten erst Mühe, auf die Provokationen der AfD nicht hereinzufallen, bekamen es aber dann ganz gut hin. So lief z. B. der Antrag auf ein vorsorgliches“ Burkaverbot (es wurde selbst nach Aussage der AfD bisher keine in Darmstadt gesichtet) ins Leere. Die AfD kündigte am Sensfelder Weg Infostände an, verteilte Flugblätter und hetzte in der ihrer eigenen fiesen Art gegen Flüchtlinge und AsylbewerberInnen. Doch sofort gab es Gegenaktionen an den Infoständen, Flugblätter mit Informationen zur Flüchtlingssituation. Die AfD’ler konnten bei öffentlichen Diskussionen keinen Stich machen. Die Sprechstunden der AfD, in provozierender Weise im Justus-Liebig-Haus abgehalten, wurde ebenfalls von Gegendemonstranten besucht und von einer entsprechenden Öffentlichkeitsarbeit begleitet.

Hans Mohrmann wurde als AfD-Kandidat aufgestellt und sogleich als populistischer Shootingstar gehandelt (s. obiges Zitat des Darmstädter Echo).Doch schnell wurden seine frauenfeindlichen Sprüche auf seiner Facebook-Seite entdeckt. Sie verbreiteten sich in Windeseile im Netz, dann auch in den örtlichen Medien. Mohrmann ruderte zurück, und dann vor, es sei ja alles ironisch gemeint und dann wieder quer. Gleichzeitig sprach sich die AfD im Stadtparlament, die ja vorgibt, die Interessen des „kleinen Mannes“ zu vertreten, gegen den Bau von Sozialwohnungen aus.

Die AfD konnte ihr Thema „Flüchtlinge“ nicht zu dem Hauptthema des Wahlkampfes machen

Aktionsbündnisse gegen Rechts, antifaschistische Gruppen und auch (Teile von) politischen Parteien hatten ein Netzwerk entwickelt, das über die „Sprüche“ der AfD auf dem Laufenden war und sich gegenseitig bei Aktionen unterstützte. Der Verlauf der Oberbürgermeister-Wahlen entwickelte sich in diesem Sinne positiv:

Die AfD konnte das Thema „Flüchtlinge“ im OB-Wahlkampf nicht setzen. Das ist und war keine Selbstverständlichkeit. In Aktionen und in der Gegenaufklärung wurde insbesondere die Frauenfeindlichkeit der AfD zum Thema, die Ablehnung des Baus von Sozialwohnungen und ihre Gegnerschaft zum Busfahrerstreik. Statt sich an dem von der AfD gewünschten Thema abzuarbeiten, waren nun deren frauenfeindliche und antisozialen Positionen das bestimmende Thema. Schlecht für ihren Kandidaten, der bei den Wahlen abstürzte.

Trotzdem: Abstiegsangst macht empfänglich für einfache Lösungen

Mohrmann bekam bei den OB-Wahlen 4,0 % – eine mehr als deutliche Schlappe. In sozialen Brennpunkten wie in Eberstadt-Süd und im Pallaswiesenviertel lag der Stimmenanteil des AfD-Kandidaten über 8 % (Wahlbezirke 1020, 1030 und 120). Das ist ein Absturz auf ein Drittel gegenüber der Kommunalwahl. Gleichzeitig waren es die Wahlbezirke mit der geringsten Wahlbeteiligung – im Pallaswiesenviertel betrug die Wahlbeteiligung gerade 16,2 % (in Darmstadt insgesamt 42,3%). Das Wahlergebnis ist keine Entwarnung, es zeigt nur deutlich , dass viele der sozial abgehängten Menschen kein Vertrauen mehr in die „Politik“ haben, die meisten gar nicht mehr wählen gehen oder dann aus Protest für die einfachen Lösungen stimmen. Immerhin konnte der AfD-Kandidat diese Stimmen nicht abgreifen, weil die antisozialen Positionen der AfD nun breiter bekannt gemacht wurden.

Natürlich hat sich mit ihrem Niedergang in Darmstadt das Problem AfD nicht gelöst. Wie bei den Kommunalwahlen sticht auch diesmal bei der OB-Wahl ins Auge, dass in einigen als eher „kleinbürgerlich“ zu bezeichnenden Wohnvierteln in Arheilgen und in Eberstadt oder in der Heimstättensiedlung die AfD überdurchschnittlich abschnitt und ihr Kandidat Mohrmann dort  teilweise über 6% bekam. Auch in diesen Wahlbezirken (440, 920 850) war die Wahlbeteiligung unterdurchschnittlich gering, aber immer noch knapp über 35 %. Neuere Untersuchungen (z. B. von O. Nachtwey) beschreiben das Phänomen einer Abstiegsgesellschaft, deren Lebenssituation zwar (noch) nicht prekär ist, die aber Angst vor einem sozialen Abstieg haben und die zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik der Meinung sind, ihren Kindern werde es einmal schlechter gehen als ihnen. Die dadurch entstehende Statusangst macht empfänglich für einfache ausländer- und demokratiefeindliche Parolen.

Nachtrag

Wie jetzt zu erfahren war, ist die AfD Darmstadt heillos zerstritten. OB-Kandidat Mohrmann ist wegen interner Querelen am Wahltag aus der AfD ausgetreten. Angeblich soll er einem Parteiausschluss zuvor gekommen sein. Schon vor einigen Wochen trat in Darmstadt ein AfD-Stadtverordneter aus der Fraktion aus, und auch im Kreistag ist die Fraktion durch dem Abgang von Mohrmann nun um zwei Abgeordnete dezimiert.

sondern auch antisozial, marktradikal, gewerkschafts- und frauenfeindlich

Gemeinsame Stellungnahme des Bündnisses „Darmstadt gegen rechts“ und des DGB-Stadtverbands Darmstadt

Die rassistischen Positionen der AfD sind bekannt. Weniger öffentlich bekannt sind die Positionen der AfD zu wichtigen gesellschaftlichen und sozialen Fragen. In Darmstadt und der Region haben wir schon Erfahrungen gesammelt: Die AfD vertritt strikt unsoziale Positionen und verteidigt nicht, wie sie vorgibt, die „Interessen des kleinen Mannes“. Hier einige Beispiele:

Antisozial:

Im Stadtparlament Darmstadt  am 15.12.2016 kritisierten die oppositionellen Parteien das Bauvorhaben eines Investors in der Eschollbrücker Straße und forderten die Stadtregierung auf, die vorhandenen Planungsinstrumente zu nutzen und den Investor auf einen Anteil an sozial geförderten Wohnungen zu verpflichten. Reaktion des Fraktionsvorsitzenden der AfD Ebert: „Ich kann die utopischen Forderungen nach Sozialwohnungen nicht mehr hören“. Folglich lehnte die AfD den Antrag auf Bau von sozial geförderten Wohnungen ab.

Marktradikal:

Im Kreistag Darmstadt-Dieburg beantragte die AfD am 13.2.17, für die kommunalen Krankenhäuser in Groß-Umstadt und in Seeheim-Jugenheim einen privaten oder gemeinnützigen Betreiber ausfindig zu machen. Die Begründung gipfelte in der Aussage „der staatliche Betrieb der Kreiskliniken ist obsolet“. Ausgerechnet die Sana-Kliniken wurden als privater Betreiber beispielhaft herausgestellt – ein Konzern, dessen ausschließliche Gesellschafter die privaten Krankenkassen sind. Der Verkauf öffentlicher Kliniken an private Klinikkonzerne geht regelmäßig zu Lasten der Arbeitsbedingungen der Beschäftigten und der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Die Gesundheitsversorgung darf nicht privaten Profitinteressen ausgeliefert werden.

Gewerkschaftsfeindlich:

Im Bau- und Verkehrsausschuss fragte ihr Vertreter Sigmund während des Streiks der BusfahrerInnen, ob nicht Beschäftigte aus der Stadtverwaltung oder Beschäftigte des EAD als Streikbrecher für Notfahrpläne eingesetzt werden können. Der OB solle ein „Machtwort sprechen“ und den Streik beenden, der Soli-Streik der StraßenbahnfahrerInnen sei sowieso illegal.

Frauenfeindlich:

In einem Punkt mag die AfD die Interessen „ihres kleinen Mannes“ vertreten – gegenüber den Frauen. So schrieb Ob-Kandidat Mohrmann im November 2016 auf seine Facebook-Seite:

„Der Grund, weshalb ich für die Abschaffung des Frauenwahlrechts bin. Alles Heulsusen. Der Heulsuse Merkel haben wir die Katastrophe der Energiewende, der Eurorettung und die Migrationskrise zu verdanken. Ein Politiker ersetzt den Keulenträger einer steinzeitlichen Marschkolonne sowie deren Nachhut, der die Brut und die süßen Frauen vor dem Säbelzahntiger, den Wölfen, den Feinden vom benachbarten Stamm und den wilden Auerochsen zu beschützen hat. Mädels, wir lieben euch. Aber in der bösen feindlichen Außenwelt laßt bitte uns die Sache regeln. Ihr könnt schließlich kein Blut sehen.“ Nach heftigen Protesten gegen diese Äußerungen meinte Mohrmann dazu, das sei satirisch gemeint. Seltsame Satire.

Fazit:

Mit ihren ausländerfeindlichen Provokationen zielt die AfD darauf ab, die Grenzen des Sagbaren immer weiter nach Rechts zu verschieben. Statt sich nur mit diesen Provokationen zu beschäftigen und sich damit die Themen von der AfD diktieren zu lassen, muss die Auseinandersetzung auch auf anderen Feldern geführt werden. Die AfD muss mit Themen konfrontiert werden, die für die „kleinen Leute“ wirklich wichtig sind, Themen wie: bezahlbarer Wohnungsraum, faire Arbeitsbedingungen, gerechte Vergütung und Achtung der Rechte der Frauen – und natürlich auch unserer ausländischen MitbürgerInnen und Mitbürger.

 

Für das Bündnis „Darmstadt gegen Rechts“:
Angelika Schröder und Erhard Schleitzer

Für den DGB Darmstadt:
Horst Raupp, DGB-Regionssekretär

Merck-Gesellschafter Markus Stangenberg-Haverkamp wirkt im braunen Sumpf

Der WDR berichtete in der Dokumentation „Das braune Netzwerk“ über die Aktivitäten brauner Thinktanks, in denen rechtsradikale Intellektuelle das geistige Rüstzeug  für die angestrebte „nationale Erneuerung“ erarbeiten. Markus Stangenberg-Haverkamp spielt dabei eine bedeutende Rolle in der rechtsradikalen Szene.

Markus Stangenberg-Haverkamp ist in seinem „zweiten Leben“ Mitglied der  Gesellschafterversammlung der E. Merck KG, die sich aus  130 Gesellschaftern allein der Merck-Familie zusammensetzt.  Die Gesellschafterversammlung des Familienunternehmens ist mit der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft  vergleichbar und trifft die unternehmerischen Grundsatzentscheidungen. Die Merck-Familie hält 70% des Gesamtkapitals des Merck-Konzerns, der Merck KGaA.

Vater von Markus Stangenberg-Haverkamp ist Frank Stangenberg-Haverkamp, seit 2014 Vorsitzender des Vorstandes der E.Merck KG und oberster Repräsentant des Familienunternehmens. Frank und Markus Stangenberg-Haverkamp sind  direkte Nachfahren von Emanuel Merck, dem Gründer des Unternehmens Merck.

Unterstützer von Holocaust-Leugnern

Markus Stangenberg-Haverkamp ist vernetzt in der internationalen rechtsradikalen Szene. 2006 besuchte er die Holocaust-Konferenz 2006 in Teheran, die wesentlich organisiert und besucht war von Holocaust-Leugnern aus 30 Ländern. Auf dieser Konferenz spielte Stangenberg-Haverkamp eine aktive Rolle und bot sich als Dolmetscher an. 2005 nahm Stangenberg-Haverkamp an einer Konferenz der rechtsradikalen Whitpower-Bewegung in der USA teil und trat dort unter dem Logo „NPD think tank“ auf.  Stangenberg-Haverkamp ist auch langjähriges Mitglied im „Deutschen Kolleg“, das nach Erkenntnissen des Thüringer Verfassungsschutzes „rassistisches und antisemitisches Gedankengut“ verbreitet. Dort bietet er seine Dienst als Übersetzer von rechtsradikalen Büchern ins Englische an, darunter ist auch ein Buch von Horst Mahler.

„Meine Staatsbürgerschaft ist nicht deutsch sondern Deutsches Reich“

Das erklärte Stangenberg-Haverkamp bei einem „Gepräch“ mit der Bayreuther Polizei. Weiter gab er bei einem Treffen des „Deutschen Kolleg“ an, den Vernehmern der Polizei habe er erklärt, „die Bundesrepublik Deutschland ist ein von den Alliierten unter Bruch des Völkerrechts eingesetztes System um das Deutsche Reich handlungsunfähig zu halten“ und „ich bin reichstreu“. Das WDR fragt an dieser Stelle der Dokumentation: „Ist  Stangenberg-Haverkamp ein heimlicher Reichsdeutscher?“

Merck: Alles nur eine „private Angelegenheit“

Die WDR-Redakteure baten Merck um eine Stellungnahme zu den Ergebnissen ihrer Recherche zu Markus Stangenberg-Haverkamp. Für Merck war alles halb so schlimm: „Private Angelegenheiten von Anteilseignern sind ohne Relevanz für das Unternehmen“. Dabei hätte das Unternehmen kritisch mit seiner eigenen Geschichte umzugehen. Bereits im 1. Weltkrieg machte Merck einen Großteil seines Umsatzes mit Heereslieferungen, so wurden z. Bsp. bis zum Ende des Krieges 45.500 Pferdegasmasken hergestellt. Nach Recherchen von Historikern setzte Merck im 2. Weltkrieg 1.240  Zwangsarbeitern ein. Eine Reihe von Familienmitgliedern war aktiv in den Organisationen der Nationalsozialisten.   (http://www.dfg-vk-darmstadt.de/Lexikon_Auflage_2/Merck.htm).

Die Merck-Familie hält zusammen

Der Vater von  Markus Stangenberg-Haverkamp,  Frank Stangenberg-Haverkamp bestimmt wesentlich die Geschäftspolitik des Familienkonzerns mit heute 12,8 Mrd. Euro Umsatz und 50.000 Mitarbeitern weltweit. Gegenüber dem WDR erklärte er, die Gesinnung seines Sohnes sei weder bekannt noch von einer Relevanz für das Unternehmen. Er selbst sei nie mit rechtspopulistischen Kreisen in Berührung gekommen. Das stimmt aber offensichtlich nicht. Die Redakteure deckten aber auf, dass der Unternehmenspatriarch Frank Stangenberg-Haverkamp 2008 im Verteiler der Holocaust-Leugner aufgenommen war. Eine E-Mail von Horst Mahler an ihn endet mit „Heilsgrüßen“.

„Wir sind Merck“, wirbt Merck auf seiner Großbaustelle mit großen Tafeln. Wir – Vater, Sohn und die Merck-Familie?

 „In was für einer Welt wollen wir leben?“

So fragt Merck auf seiner aktuellen Homepage. „Als global aufgestelltes Wissenschafts- und Technologieunternehmen suchen wir bei Merck jeden Tag nach Antworten auf die Frage: In was für einer Welt wollen wir leben? Und wir suchen nach Lösungen, um das Leben von Menschen rund um den Globus besser zu machen.“

Die Lösung: eine Welt ohne Holocaust-Leugner, ohne Rassisten und ohne Reichsbürger.

 

Die Dokumentation des WDR ist abrufbar unter:

http://www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/die-story/video-das-braune-netzwerk-100.html

 

Ein Interview mit den FilmemacherInnen und speziell zur Rolle von Frank Stangenberg ist veröffentlicht im Vorwärts:

http://www.vorwaerts.de/Artikel/merck-gesellschafter-boot-holocaustleugnern

Wird die AfD absichtlich hochgeschrieben oder herrscht politische Fahrlässigkeit?

Der Kommentar im Darmstädter Echo zu dem SPD-Kandidaten für die Oberbürgermeister-Wahl endet mit einem Paukenschlag:

„Wenn es der AfD gelingt, mit einem populistischen Bewerber die Stimmen aller Unzufriedenen und Gefrusteten (auch aus der CDU) einzusammeln, könnte Siebel angesichts der politischen Großwetterlage für seine Partei sogar den zweiten Wahlgang verpassen,“ schreibt Harald Pleines in  im Darmstädter Echo am 11.10.2016 zu dem SPD-Kandidaten Michael Siebel. Die SPD hatte zwar bei der letzten Kommunalwahl ein ziemlich schlechtes Ergebnis eingefahren, aber deshalb die AfD gleich auf das Schild zu heben, sie habe gute Aussichten mit ihren 9,2 % bei der letzten Kommunalwahl in die OB-Stichwahl zu kommen, ist doch recht befremdlich für eine „Qualitätszeitung“, die zudem noch eine Monopolstellung auf dem Darmstädter Zeitungsmarkt hat. Fast könnte man/frau meinen, da wird was „herbeigeschrieben“ oder zumindest eine rechtspopulistische Partei hochgepuscht.

Skandieren von Sprüchen und AfD-Kümmerer

Erhebliche Störgefühle bekommt der kritische Leser ebenfalls bei der Berichterstattung über die Proteste gegen die so genannte Bürgersprechstunde der AfD am 3.11.2016. „Während die Demonstranten unten Sprüche skandierten wie ‚Es gibt kein Recht auf Nazi-Propaganda‘ kümmerten sich oben die AfD-Mitglieder um die Fragen der Bürger,“ berichtet das Darmstädter Echo am folgenden Tag.

Die Demonstranten als Krakeeler und die AfD’ler als Kümmerer für Bürgerinteressen – platter und schiefer geht es kaum noch.

Beobachtende Demonstranten konnten so gut wie keinen „besorgten Bürger“ ausmachen, der die Sprechstunde besuchte. Statt zu hinterfragen, wie hoch denn überhaupt die Teilnahme von Darmstädter Bürgern an dieser Bürgersprechstunde war, lässt das DE den Pressesprecher der AfD zu Wort kommen:

„’Das Nordbad, die Flüchtlingsunterkunft am Sensfelder Weg oder das Stadion am Böllenfalltor – das bewegt die Leute‘, zog  AfD-Kreissprecher Jürgen Firsching eine kurze Zwischenbilanz.“

So was lässt sich immer behaupten, auch wenn nur zwei oder drei Besucher kommen. Eine sorgfältige Berichterstattung über eine rechtspopulistische Partei sieht anders aus.

Anlass zur größten Sorge

Die Berichterstattung des Darmstädter Echos in den letzten Wochen zu Themen um die AfD gibt – wie es so schön heißt – zur größten Sorge Anlass. Es ist zu hoffen, dass einige Redakteure einfach nur politisch fahrlässig geschrieben und kommentiert haben und sich nicht eine Linie in die Redaktion einschleicht, die sich dem Rechtspopulismus andient.